Zu gut für den Müll
1. September 2022
Zu gut für den Müll
Der Verein Foodsharing rettet Nahrungsmittel
Karotten, Äpfel, Salat, Auberginen, Radieschen, Schokolade, Käse, Nudeln, Brot und mehr – alles, was in den Kisten auf dem Foto zu sehen ist, wäre normalerweise im Müll gelandet. Tom Eichberg hat die Produkte im Edeka-Markt in Schrozberg abgeholt und stellt sie in einer Verteilstelle allen zur Verfügung. Er ist Botschafter der Foodsharing-Bewegung.
„Wir retten Lebensmittel vor der Tonne“, sagt Tom Eichberg, der aus Crailsheim stammt und in Dinkelsbühl lebt. Gemeinsam mit seiner Frau Annette engagiert er sich seit 2018 für die Foodsharing-Bezirke in Dinkelsbühl, Crailsheim, Schwäbisch-Hall und Heidenheim an der Brenz. Am 1. August haben sie zusätzlich den Bezirk Hohenlohekreis gegründet. Beide sind BOT‘s. Im Foodsharing-Jargon bedeutet das Botschafter, die einen Bezirk organisieren.
Von Foodsharing erfahren hat das Ehepaar, das mittlerweile im Ruhestand ist, über ihre Tochter, die die Initiative aus Mannheim kannte. Von Studenten und jungen Menschen erfährt die Aktivität gegen Lebensmittelverschwendung großen Zuspruch. Was ein Supermarkt nicht mehr regulär verkaufen kann, wandert normalerweise in den Müll.
Dazu gehören aufgerissene Verpackungen ebenso wie Produkte mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum oder Gemüse und Obst mit Schönheitsfehlern. Hat der Salat ein paar welke Blätter, ist in einem Sack Zwiebel eine faulig oder hat die Banane ein paar dunkle Stellen, schon gehen diese Produkte nicht mehr über den Ladentisch. Genießbar sind sie aber trotzdem.
„Ich muss zugeben, ich war anfangs kritisch gegenüber der Vorstellung, abgelaufene Lebensmittel zu verwenden“, erinnert sich Tom Eichberg und fügt an: „Aber ich habe mich überzeugen lassen.“
Laut dem Verein „Deutsche Umwelthilfe e.V.“, der politisch unabhängig ist und sich auf nationaler und europäischer Ebene engagiert, landen in Deutschland jedes Jahr etwa 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Das entspricht 571 kg Lebensmittel, die pro Sekunde entsorgt werden.
Will man sich aktiv bei Foodsharing engagieren, startet man als Foodsaver, so auch das Ehepaar Eichberg. Voraussetzung ist ein Test, den Interessierte über die Webseite von Foodsharing bestehen müssen. „Danach haben die angehenden Foodsaver drei Einführungsabholungen“, erklärt Annette Eichberg. Bei zwei ist der Betriebsverantwortliche dabei, bei der dritten der zuständige Botschafter. „Bei uns bekommen die Foodsaver danach noch ein Briefing bezüglich der Verhaltensregeln “, fügt Tom Eichberg an. Erst danach erhält ein Foodsaver den Ausweis, mit dem er sich für Abholungen zertifizieren kann.
Zusätzlich zum Foodsaver und Botschafter gibt es den Betriebsverantwortlichen (BV), der als Bindeglied zwischen abgebendem Unternehmen und den Abholern fungiert. Er sollte mindestens sechs Monate als Foodsaver Erfahrung gesammelt haben. „Gibt es beispielsweise mehrere Feiertage, dann klärt der BV die Abholungen“, so Tom Eichberg. Foodsharing legt Wert auf einen gut strukturierten Ablauf.
Die Kooperationspartner wissen das zwar zu schätzen, dennoch wollen manche nicht genannt werden. Die LBV Raiffeisen e.G. aber schon. Seit Januar unterstützt der LBV-Edeka-Markt Ilshofen die Initiative, seit Juni hat sich der Edeka-Markt im LBV Einkaufszentrum in Schrozberg bei Foodsharing angeschlossen. Die Schrozberger Marktleiterin Doris Heber hat nach den guten Erfahrungen von Ilshofen den Kontakt zum Verein gesucht. „Lebensmittel, die noch verzehrfähig sind, muss man ja nicht mit Gewalt vernichten“, so ihre Einstellung. Foodsharing sagt eine 100-prozentige Abholung der nicht mehr verkäuflichen Produkte zu und schließt mit den Betrieben Kooperationsverträge ab, die einen Haftungsausschluss enthalten.
Das ehrenamtliche Engagement, denn alle Beteiligten engagieren sich unentgeltlich, muss gut durchorganisiert sein. Manche Kooperationspartner wollen eine tägliche Abholung, andere mehrmals die Woche oder auch nur auf Zuruf. Um die Abholung in nur einem mittelgroßen Edeka-Markt zu gewährleisten, müssen Tom und Annette Eichberg bzw. die zuständigen Betriebsverantwortlichen jeweils 25 bis 30 Foodsaver zur Verfügung haben. Allein im Bezirk Crailsheim (zu dem Kirchberg, Blaufelden, Schrozberg, Gerabronn und Ilshofen gehören) sind aktuell 116 Foodsaver registriert. Diese können sich über die Foodsharing-Plattform (www.foodsharing.de) zur Abholung bei den Märkten eintragen. Manch einer macht das täglich, andere nur ab und an. Je nach individuellem Zeitpensum.
Mit dem vollgepackten Auto geht es dann zum Fairteiler, einer öffentlichen Verteilstelle. In Crailsheim ist diese rund um die Uhr und an allen Tagen im Jahr frei zugänglich. „In Dinkelsbühl und Feuchtwangen haben wir Fairteiler in den örtlichen Umsonstläden“, so Tom Eichberg. Jeder, der den Gedanken unterstützt, Lebensmittel nicht wegzuwerfen, kann dort Produkte abholen. Dabei geht es nicht um Bedürftigkeit. Foodsharing will auch keine Konkurrenz zur Tafel sein. „Wir sagen: immer zuerst die Tafel“, so Annette Eichberg.
Foodsharing legt Wert auf die Einhaltung von Rahmenbedingungen. „Die Ware muss auf direktem Weg vom Betrieb in die Fairteiler eingeliefert werden“, so Tom Eichberg. Außerdem werden Kühlschränke und Regale täglich gesäubert und auf Funktionsfähigkeit überprüft, was auch dokumentiert wird.
Anhand von Fotos wird gezeigt, was aktuell in den Schränken zur Abholung lagert. Interessierte können sich über die Webseite von Foodsharing (nach der Registrierung) darüber informieren. Wo es keine Fairteiler gibt, werden die Lebensmittel über private Netzwerke oder Essenskörbe der Gemeinschaft zugeführt. Wichtig ist dabei, bei Foodsharing fließt keinerlei Geld.
Annette und Tom Eichberger organisieren ihre Foodsharing-Bezirke mit Herzblut. „Jeder Foodsaver bei uns ist hygienezertifiziert und weiß, wie man mit Lebensmitteln umgeht“, erklären sie. Sie veranstalten monatliche Treffen abwechselnd in Crailsheim und Schwäbisch Hall. Am von der Stadt Schwäbisch Hall veranstaltete Nachhaltigkeitstag am 17. September präsentieren sie die Initiative Foodsharing der Öffentlichkeit. am