Verborgener Schatz
10. Januar 2025
Verborgener Schatz
Historische Stadtbibliothek Bad Windsheim
„Ich war immer der Überzeugung, dass Denkmäler unser Leben bereichern. Sie schärfen den Blick für das Schöne der Vergangenheit und stehen im Kontrast zur Gegenwart mit Blick in die Zukunft“, sagt Sabine Detsch, Stadträtin in Bad Windsheim. „Als der Gebietsleiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in meinem denkmalgeschützten Bad Windsheimer Wohnhaus (im Jahr 2010) zu Besuch war, kam die Frage auf, ob ich mich nicht dem seit über 40 Jahren vergessenen Klosterchor annehmen könne“, erzählt sie. Sabine Detsch und Ines Thoma gründeten im Jahr 2012 den „Förderverein Klosterchor & historische Stadtbibliothek“. Er entstand aus einer Gruppe von Frauen, die sich der Kultur-Geschichte der Stadt verschrieben haben. „Wir wollten den längst in Vergessenheit geratenen Klosterchor mit der aus 5.340 Bänden bestehenden Historischen Stadtbibliothek aus dem Dornröschenschlaf wecken. Er soll saniert und zu einem belebten Denkmal und zu einem Ort der Kultur werden“, beschreibt Detsch die Ziele des Vereins.
In dem im Jahr 1291 von der Adelsfamilie Gailing zu Illesheim/Röllinghausen gestifteten Augustiner-Eremiten-Kloster, wurde im Jahr 1525 eine öffentliche Studienbibliothek, die „Liberey“ eingerichtet. Der Rat stellte daher 1525 das Kloster unter seine Verwaltung. Im Zuge der Reformation wurde das Kloster aufgelöst und ging in den Besitz der kleinen Reichsstadt Bad Windsheim über. Am Ende waren im Kloster nur noch der Prior und zwei Mönche (von ehemals sechs in der gesamten Klosterzeit) verblieben, die sich der Reformation zu wandten. Nach mehreren Umbaumaßnahmen des Klosters folgte die Gründung einer Stadtbibliothek (1559) „in der undern Stuben“ des Klosters, dessen Grundstock aus 150Büchern der damaligen Frankfurter Buchmesse bestand. Von der verschiedentlich genutzten Klosteranlage, die nach und nach abgetragen wurde, blieb bis heute nur der Klosterchor. Die umgestalteten Räumlichkeiten beherbergen heute noch die nach 400 Jahren erhaltene Historische Stadtbibliothek im Obergeschoss. Der literarische Schatz birgt Werke aus der „Liberey“ des Augustiner-Eremitenklosters mit mittelalterlichen Handschriften, Inkunabeln (Schriften vor der Zeit des Buchdruckes) und Drucken des 16. Jahrhunderts. Eine handschriftlich signierte Bibel des Reformators Martin Luther (1535) oder das Werk „Historiae Romanae decades“ von Titus Livius, 1470 in Speyer gedruckt, gehören zu den wertvollsten Exemplaren. Auch die Privatsammlung des Weißenburger Advokaten Caspa Leisler kam hinzu. Daneben birgt die Bibliothek gestiftete Sammlungen aus dem Fundus der Bad Windsheimer Bürger sowie einige Bücher aus dem 12. Jahrhundert. Diese werden nach der laufenden Sanierung der Bibliothek wieder ihren Platz in den Regalen aus dem 17. Jahrhundert einnehmen.
Am Ende der Bad Windsheimer Reichsstadtzeit (1802) konnte der Bücherschatz durch den Wegfall von finanziellen Mitteln und dem Rückgang von privaten Schenkungen nicht weiter wachsen. „Die Tatsache, dass die Gründung der Historischen Stadtbibliothek (1559) nur ein Jahr nach der Eröffnung der Bayerischen Staatsbibliothek (1558) stattfand, empfinde ich als ein Zeichen für das bereits damals vorhandene Interesse an Kulturgeschichte und der Weltoffenheit der Menschen“, so Sabine Detsch.
Schatzhüter der Bibliothek
Michael Schlosser, der letzte Bibliothekar (1980–2019), der als Einziger hauptamtlich aktiv und fachlich bewandert war, gilt als der „Schützer“ der Stadtbibliothek im Klosterchor. Bis circa 1617 waren laut Schlosser nur ehrenamtliche Bibliothekare, darunter Lehrer und Pfarrer, eingesetzt.Schlosser hat in seiner Zeit als Stadtarchivar den kompletten Buchbestand katalogisiert und aufschlussreiche Erkenntnisse über die Geschichte der Bibliothek erforscht. Ihm ist es zudem gelungen, den ältesten Buchbestand zwischen 1559 und 1600 exakt zu rekonstruieren.
„Momentan werden die Bücher gereinigt und restauriert“, sagt Sabine Detsch. Mit ihren Mitstreiterinnen des Fördervereins kommt sie dem Ziel, den Klosterchor mit Historischer Stadtbibliothek zu einem belebten Denkmal zu machen, immer näher. Denn das Kleinod wurde durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege zu einem „Denkmal von herausragender Bedeutung“ auser-
koren. Seit November wurden Bundesfördergelder von 1,25 Millionen Euro zugesagt. Die Historische Stadtbibliothek mit ihrem literarischen Kulturgut von historischen, theologischen, naturwissenschaftlichen, philosophischen sowie juristischen Werken, bildet einen Querschnitt durch fast alle Wissensgebiete aus mehr als drei Jahrhunderten. „Aber für mich sind es auch die privaten Buchbestände aus unterschiedlichen Epochen, die von großem Wert sind“, fügt Sabine Detsch an.
„Nur ein belebtes Denkmal kann auf Dauer überleben“, ist ihre Devise. Um dem Rechnung zu tragen, hat der Förderverein „Klosterchor & historische Stadtbibliothek e. V.“ ein konkretes Konzept vor Augen. Im Gebäude des Klosterchores soll ein Ort der Kultur und der Begegnung entstehen. Das heißt, im Erdgeschoss wird es Konzerte, Theater, Ausstellungen und Empfänge geben. Es wird aber auch ein Trauzimmer geben, in dessen historischen Gemäuern sich Paare das „Ja-Wort“ geben können. „In der Historischen Stadtbibliothek kann man Geschichte regelrecht einatmen“, sagt Sabine Detsch und deshalb soll es nach ihrem Dafürhalten Führungen in Kleingruppen geben. Hier kann dem musealen Charakter Rechnung getragen werden. Auch für wissenschaftliche Forschungen bietet der literarische Schatz eine Grundlage.
Der bisher unbenannte, aber vorhandene Klostergarten wird das zweite Areal für den künstlerisch-musischen Bereich. Es soll eine innerstädtische Grünoase und öffentlicher Freiluftfestsaal für Jung und Alt werden. Auch für Open-Air-Veranstaltungen, für einen Kräuter- und Heilpflanzengarten und ein Kleinod für Leseratten bietet der Klostergarten Raum. Das Gebäude in der Husarengasse 1, das die Stadt mit dem Klosterchor erwerben musste, da es durch zwei Mauerstreben untrennbar verbunden ist, findet vielerlei Verwendung.
Versammlungen für Initiativen oder Vereine, Vorträge, Schulungen oder Kinderferienprogramme können hier künftig stattfinden. Es werden Sanitärräume und Büros eingerichtet und ein Teil der Räumlichkeiten kann als Lagerstätte für Bestuhlung für Veranstaltungen genutzt werden. Ein Denkmal mit Leben füllen – das könnte auch für andere historische Bauwerke eine Zukunftsvision darstellen. ul