USA per Rad

1. September 2022

USA per Rad

Alexander Pflüger hat seine Wahlheimat erkundet

„Es war ein Geschenk, das ich mir selber machen wollte“, sagt Alexander Pflüger. Der 59-Jährige stammt aus Schwarzenbronn und ist 1987 in die USA gezogen. Fast genau 35 Jahre hat er bei Walt Disney gearbeitet, anfangs als Koch und dann als Leiter für „Food & Beverages“ in diversen Parks und Hotels in Florida. Er hat zwei Kinder und lebt mit seiner Frau Ashleigh, einer Innendesignerin, in Winter Park nahe Orlando. Am 25. April diesen Jahres ist er zu einer Radtour durch neun Bundesstaaten aufgebrochen – eine Reise zu sich selbst.

Schon vor Corona hat er unter dem steigenden beruflichen Druck gelitten. „Immer mehr muss mit immer weniger geleistet werden“, erklärt er. Gesundheitliche Probleme stellten sich ein, obwohl er als Marathonläufer sportlich fit war. „Während Corona habe ich die Entscheidung getroffen, im April aufzuhören“, sagt Alex Pflüger. Er wollte danach einen „Cut“, eine Zeit, um sich neu zu sortieren.

Also hat er eine Radtour zu seinem Sohn James geplant. Ein halbes Jahr lang hat er die Route von Orlando nach Denver ausgetüftelt. Dann zog sein Sohn um und er begann von vorne. La Crosse in Wisconsin war das neue Ziel.

Jeder Tritt führt ans Ziel

Am 25. April, zwei Tage nach seinem letzten Arbeitstag, hat sich Alex Pflüger auf sein Rennrad geschwungen und los ging‘s. Er hat die Tour von insgesamt 2 636 km in 19 Etappen eingeteilt. Bis zu 12 Stunden am Tag ist er geradelt und hat im Durchschnitt knapp 150 km zurückgelegt. Übernachtet hat er in Motels. Alle fünf Tage gönnte er sich einen Ruhetag. „Da habe ich meine fünf Radgarnituren gewaschen und Fahrrad und Anhänger gerichtet“, so der Sportler. Mit seinem 22-Gang-Rennrad hat er einen etwa 30 kg schweren Anhänger gezogen, in dem er das Nötigste untergebracht hat.

Die USA, seine Wahlheimat, hat er bei der Tour komplett neu erlebt. Seine Route führte hauptsächlich durch ländliche Regionen. Eine seiner fünf Radgarnituren ist ein Deutschlandtrikot. Als er ein Gebiet der Amischen durchquerte, die die Ackerarbeit noch mit Pferdegespannen verrichtet haben, wurde er auf Deutsch angesprochen. „Wir kamen ins Gespräch und der Mann erzählte mir, dass sie die Bibel auf Hochdeutsch lesen“, so Pflüger.

Er hat sowohl den „Trial of Tears“, eine historische Strecke, die an die Vertreibung der Indianer erinnert, als auch die berühmte Route 66 befahren. Auf seinem Handy hat Alex Pflüger zig Fotos von Landschaften mit Sonnenuntergang, von Straßenschildern mit dem Hinweis, in welche Richtung zum Beispiel Bremen liegt. Immer wieder ist er auf die Spuren deutscher Ansiedlungen gestoßen und hat hilfsbereite Menschen kennengelernt. „Ich habe meinen Glauben an die Menschheit erneuert“, stellt er fest.

Insgesamt 18 143 Höhenmeter hat er bei seiner Tour zurückgelegt. „Was mir aber wirklich zu schaffen gemacht hat, war der Wind“, erzählt Pflüger. Die über 60 km pfeilgeraden Straßen in Illinois waren echte Windschneisen.

Etwa 40 Meilen vor dem Ziel schien die Tour dann fast zu Enden. Eine Brücke war abgerissen. Mit seinem Hänger konnte er nicht durch das Tal. „Ein Fahrer mit Pick-up wollte mich mitnehmen, aber das ging gar nicht“, so Pflüger. Also haben die Bauarbeiter kurzerhand seinen Anhänger mit ihrem Kran über die nicht vorhandenen Brücke transportiert. Das Rad schob Alex Pflüger durch das Tal.

„Die letzten Meilen wurde ich immer langsamer. Ich wollte eigentlich nicht, dass es zu Ende geht“, erzählt er. Nach 134 Stunden reiner Fahrtzeit kam er in La Crosse bei seinem Sohn James an.

„Das war ein ganz wichtiger Cut für mich und ich hoffe, ich kann auch andere dazu inspirieren, aktiv zu werden“, so sein Resümee. Im Sommer war er für 10 Wochen zu Besuch bei seiner Mutter Inge Hoffmann in Schwarzenbronn.

Ein neues Abenteuer hat er schon im Kopf: Er plant, Amerika von West nach Ost mit dem Rad zu durchqueren. am

Alexander Pflüger mit seinem Rennrad samt Anhänger. Foto: Privat
Von Süd nach Nord: Die Route von Alex Pflüger. Foto: Privat

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