Täglich ein Lauf
8. Januar 2024
Täglich ein Lauf
Extremsportler Heino Siedentopf
Alles begann vor drei Jahren. Heino Siedentopf, damals 74 Jahre alt, war seit Jahrzehnten begeisterter und erfolgreicher Turnierhundesportler. Dann kam Corona und alle Turniere wurden abgesagt. „Mir war einfach langweilig“, sagt er. Also hat er seine Turnschuhe angezogen und ist losgelaufen.
Sein erster Lauf ging sofort über 10 250 Meter. Seitdem läuft er jeden Tag – und zwar mindestens zehn Kilometer. In den letzten drei Jahren ist er etwas über 10 000 Kilometer gelaufen. Sein Ziel ist es, die Erde läuferisch einmal zu umrunden. Also gut 40 000 Laufkilometer. „Dafür brauche ich noch knapp zehn Jahre“, überlegt der 77-Jährige, „es sei denn, ich erhöhe die tägliche Distanz.“
Heino Siedentopf lebt mit seiner Familie seit zehn Jahren mitten in Wettringen. Er stammt aus Mühldorf am Inn und kam einst aus beruflichen Gründen nach Mittelfranken. Als Jugendlicher sei er schon sportlich gewesen und hatte Erfolge in der Kurzstrecke und im Weitsprung, erzählt er.
Im Hundesport, seiner langjährigen Leidenschaft, hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten: Sechsmal war er Deutscher Meister, achtmal Verbandssieger des Südwestdeutschen Hundesportverbands. Er war Ausbilder und hat mehrmals die Woche mit seinen drei Hunden gearbeitet. Läufer oder Extremsportler war er jedoch nie.
„Laufen ist lebensverlängernd“, sagt er heute mit Überzeugung. Seit seinem ersten Lauf ist er von dem Sport begeistert. Jeden Tag, meist am Vormittag, macht er sich bei Wind und Wetter auf. Selbst Minustemperaturen schrecken ihn nicht ab. Nahe Wettringen hat er eine Laufstrecke ausgemessen, die 2 080 Meter lang ist. Dort dreht er seine Runden.
„Ich mache mich nicht warm, sondern laufe einfach los“, erklärt er. Erst langsam, dann die Oberschenkel etwas höher, dann mit ganzer Kraft. Einen Pulsmesser oder ein ausgeklügeltes Trainingsprogramm braucht er nicht. „Ich höre einfach in mich hinein“, so sein Credo. Fühlt er sich wohl, macht er Tempo. Gibt es mal schlechtere Tage, dann läuft er eben langsamer. Genauso bodenständig hält er es mit seiner Ausrüstung. „Alles vom Discounter“, sagt er. Fünf Paar Schuhe hat er schon durchgelaufen. Probleme hatte er nie.
100 Halbmarathons
Heino Siedentopf hat jeden seiner Läufe mit Distanz und Zeit in eine Liste eingetragen. Für die zehn Kilometer braucht er etwa 50 Minuten. „Aus Spaß bin ich mal 50 Halbmarathons hintereinander gelaufen“, sagt er und holt die entsprechenden Aufzeichnungen heraus. Im Wechsel stehen da ein Halbmarathon und danach ein Tag Pause. Seine Füße waren wund und er musste sie einwickeln. „Ich hatte trotzdem einen Heidenspaß“, erinnert er sich.
Einmal ist er auch einen Marathon gelaufen in der Zeit von 4,32 Stunden. Aber das ist nicht seins. „Der Halbmarathon liegt mir besser“, so der Sportler. Eine neue Herausforderung für dieses Jahr hat er sich auch schon ausgedacht: 100 Halbmarathons hintereinander. „Das mache ich dann ohne Ruhetag, denn der bringt sowieso nichts“, hat er festgestellt.
Einen Tag ohne Lauf kann er sich nicht vorstellen. „Ich habe immer Lust dazu“, erzählt er. Da ist einerseits die Herausforderung, das Überschreiten von Grenzen, das ihn reizt. Und andererseits sind da die Ruhe und Kontemplation.
„Da kann man sich frei denken“, erklärt er. Seine täglichen Läufe sind Denkzeit für ihn. Trotz der Schmerzen, mit denen die Anstrengung mitunter verbunden sind, empfindet er die Zeit als reine Erholung.
Ergänzende Gymnastik
Eines ist ihm dabei wichtig: Er läuft alleine. Er ist weder in einem Verein noch bei einem Lauftreff. Einzig beim letzten Muswiesenlauf hat er mitgemacht. Unter den 350 Teilnehmern, die ohne Altersklassifizierung gestartet sind, hat er Platz 46 erreicht.
Jeden zweiten Tag legt er zusätzlich zum Lauf noch eine Gymnastikeinheit ein, die im Freien an einem idyllischen Weiher bei Wettringen stattfindet. Bis zu 300 Liegestütze stehen dann auf dem Programm.
Da er so viele Kalorien verbrennt, isst er, was ihm Energie gibt: Schweinebraten, Bonbons, fettige Soßen und neuerdings auch Äpfel. 50 Jahre lang war er ein starker Raucher, heute pafft er nur noch Zigarillos. „Das schmeckt mir einfach“, sagt er. am