Schäferkirche
1. September 2024
Schäferkirche
Historischer Schäfertanz
Der Schäfertanz hat in Rothenburg eine gar historische Tradition. Schon im Mittelalter spielten Schäferei und Wollhandel eine wichtige Rolle im Leben der Stadt.
Seit 1472 kam die Schäfer-Bruderschaft alljährlich zum Bartholomäi-Fest zu ihrem „Schäferytag“ zusammen, der mit einem Gottesdienst begann. Auf einem Betplatz vor dem Klingentor verehrten sie den Heiligen Wolfgang, den Beschützer der Herden. Nach dem Gottesdienst zogen die Schäfer zu Speis, Trank und Tanz in das „Lambswirtshaus“ am Marktplatz. Und die Jungschäfer tanzten mit den Bürgerstöchtern.
Der damalige Bischof Rudolf gab einen Erlass heraus, damit die Gottesdienste am „Schäferytag“ geordnet ablaufen sollten. „In diesem Zuge sollte der Ort geheiligt werden, ein Tragaltar aufgestellt und die Stätte überdacht werden“, führt der heutige Oberschäfer des Vereins „Historischer Schäfertanz“ Uwe Bach aus.
Somit wurde der Bau der St. Wolfgangskirche angeordnet. Kaum war der Erlass rechtens, soll der wohlhabende Wollhändler Michael Otnat (Großvater war noch Tagelöhner) Spitzhacken, Schaufeln und Tragkörbe besorgt und alle Manneskraft um sich versammelt haben, um den Bau der heute noch unveränderten reizvollen Wehrkirche im Nordwesten der Stadt (1474–1492) zu beginnen. Von außen sollte es ein trutziges Befestigungsbauwerk mit starken Mauern, Schießscharten, Kasematten, Verlies und Geschützboden und von innen eine Kirche mit kunstvoller spätgotischer Ausgestaltung werden. Die Kirche wurde in eine Wehranlage der Stadtmauer integriert.
„Interessant ist, dass das Steinmetzzeichen der Bauhütte Möllner aus Nürnberg in der St. Wolfgangskirche auch in der St. Jakobs-Kirche zu finden ist, die wohl nahezu zeitgleich entstanden ist“, sagt Bach. Der Flügelaltar im Chor wurde 1514 gebaut. Die mittlere Figur des Altars stellt den Kirchenpatron St. Wolfgang als Bischof dar, der eine identische Optik wie die Riemenschneiderfigur des St. Kilian in der Stadtkirche Haßfurt aufweist. „Wir vermuten, dass die Figur des St. Wolfgang in der Schäferkirche aus der Riemenschneiderwerkstatt stammen könnte“, so Oberschäfer Bach, der seit 1995 dem Verein angehört. Die Schäferkirche ist die Heimat des Vereins „Historischer Schäfertanz“, der die Stadt heute noch, oder sagen wir wieder, mit gelebtem Brauchtum erfreut.
Museum und Verein
Lange geriet der Freudentanz in Vergessenheit. Der musisch begabte Gärtner Theodor Schletterer schlug im Jahr 1910 bei der Planung des Faschingsfestes des Vereins TV 1861 Rothenburg die Wiederbelebung des Historischen Schäfertanzes vor.
Die Choreografie stammt ebenfalls aus dem Ideenreichtum Schletterers, die sich bis heute kaum verändert hat. Die Musik ist der Oper „Die Regimentstochter“ von Gaetano Donizetti entnommen und der fränkischen Blasmusik angepasst. Die Tänze werden bis heute mit dem unveränderten Schäfertanzlied aufgeführt. „Die ersten Auftritte mussten aufgrund der hohen Besucherzahl durch Soldaten begleitet und die Mengen in Schach gehalten werden“, erzählt Uwe Bach.
Nach dem ersten Tanz im Wildbad wurde der Verein „Historischer Schäfertanz“ ins Leben gerufen. Die Herren trugen Lederhosen mit Hemd und Weste, die Bürgerstöchter stellten ihre Tracht aus Weißwäsche aus Omas Schrank zusammen, die später durch bunte Biedermeiertracht ersetzt wurde.
Für jeden Tanz bekommen die Tänzer von ihrer Partnerin ein kunstvoll handgearbeitetes „Bändel“ für ihre Schäferschippe. Das war in jüngerer Zeit oft ein Grund dem Verein beizutreten. Die ersten Mitglieder aus dem gehobenen Mittelstand mussten unverheiratete Rothenburger Bürger sein. „Der lustige Verein wurde zu einer Heiratsbörse“, sagt Uwe Bach. Man fühlte sich als etwas Besonderes. „Heute freuen wir uns auf jeden, der dabei sein möchte“, sagt der Oberschäfer. „Denn es ist noch immer ein heiteres Völkchen, das auch gerne einmal gemeinsame Freizeit bei Ausflügen genießt“, ergänzt er. Der Verein ist schon in London, Athis-Mont (Frankreich), München und Nürnberg aufgetreten.
In den 70/80er-Jahren wurde eine Gans als Symbol für den Festschmaus am einstigen „Schäferytag“ Teil der Auftritte. Das ist heute nicht mehr Brauch, da die Gans drei Mal zu Tode kam. Der Schäfertanz ist ein Figurentanz, der mindestens zwölf Paare benötigt. Auf die Pfiffe des Oberschäfers wechseln die Tanzfiguren. Vor dem Tanz wird mittels einer historischen Szene das Tanzrecht wiederholt. Jede Aufführung beginnt mit dem Schäfermarsch und einem kleinen Festumzug zum Marktplatz. Während des Tanzes spielt die Schäfertanzmusik und inmitten des Tanzes singen drei Schäfer je einen Vers eines Schäferliedes. Wer einmal die Schäfertanzgeschichte nachvollziehen will, findet im Obergeschoss der Schäferkirche ein kleines Museum, das Einblick in das Leben und die Arbeit der Hirten, aber auch die Geschichte des Schäfertanzes erzählt. So wird die Geschichte des „Historischen Schäfertanzes“ mit einer Darstellung der Formation auf dem Marktplatz mit Puppen hinter Glas dargestellt. Im Jahr 1967 waren Mitglieder der bretonischen Trachtengruppe „Cercle Celtique“ zu Besuch bei den Reichsstadttagen in der Stadt. Einer war Louis Perrigot, der sich mit Rothenburger Schäfertänzern in Zivil so gut verstand, dass sich die Gruppen gegenseitig besuchten und seit 1975 eine Städtepartnerschaft zwischen Rothenburg und Athis-Mont daraus entstand. Im Museum ist der Dudelsack von Louis Perrigot ausgestellt, den er dem Verein „Historischer Schäfertanz“ schenkte. Lebensgroße Figuren eines Schäfertanzpaares und eines Hirten sind in Schaukästen zu sehen.
Jedes Jahr zu Pfingsten und zu den Reichsstadttagen ist Schäfertanzzeit. Auch auf Anfrage wird der Tanz zum Besten gegeben.
„In diesem Jahr werden unsere ,Schafe‘ an den Reichsstadttagen einen Stand betreiben, an dem über die Produktion von Schafwollartikel eines Herstellers aus Leutershausen informiert wird“, gibt Uwe Bach bekannt. Eine selbst inszenierte musikalische Andacht des Vereins in der Schäferkirche mit Musikanten wird in diesem Jahr zum ersten Mal den Abschluss der Reichsstadttage bilden. ul