Regenten zu Besuch
9. März 2022
Regenten zu Besuch
Kaiser und Könige in Rothenburg
Der Kaiser kommt nach Rothenburg – das war ein Satz, der gleichsam von Begeisterung und Sorge getragen war. Rothenburg wurde in seiner Zeit als Reichsstadt etwa 30 Mal von Kaisern und Königen besucht.
Am 15. Mai 1274 hat Kaiser Rudolf von Habsburg der Stadt die hochwertigen Rechte einer Reichsstadt verliehen. Rothenburg gehörte somit zum Heiligen Römischen Reich. „Der Grund für die Anwesenheit von Kaisern und Königen ist in der Regel im Reisekönigtum des Heiligen Römischen Reiches zu suchen: Es gab, anders als etwa in Frankreich und England, keine Hauptstadt, sondern der König reiste von Ort zu Ort, um seine Herrschaft zu zeigen und auszuüben“, so Stadtarchivar Dr. Florian Huggenberger.
Der erste überlieferte Königsbesuch war der des Stauferkönigs Konrad III. bereits im Jahr 1149. Der letzte Besuch in der Reichsstädtischen Zeit fand von Kaiser Joseph I. im Jahr 1712 statt.
Von den meisten Visiten der Regenten ist wenig überliefert. Die zweiwöchige Anwesenheit König Friedrichs III. im Jahr 1474 bildet jedoch eine Ausnahme: Ein Stadtschreiber hat ausführlich darüber berichtet und der einstige Stadtarchivar Dr. Ludwig Schnurrer hat 500 Jahre später einen Vortrag über die Königsbesuche gehalten, der im Jahrbuch 1974/75 des Vereins Alt Rothenburg festgehalten ist.
Kaiser Friedrich III. hat 1474 eine brisante politische Angelegenheit in Rothenburg verhandelt. „Friedrich erhob die Grafschaft Holstein zum Herzogtum und belehnte den dänischen König damit, unter der Voraussetzung, dass Schleswig und Holstein ‚auf ewig ungeteilt’ bleiben würden“, erklärt Dr. Florian Huggenberger.
Kam ein Kaiser oder König nach Rothenburg, gehörten Prunk, Glanz und Pomp dazu. Dies war aber nicht „Ausdruck höflicher Gastgeberlaune, sondern höchster Beweis des Untertanengehorsams“, schreibt Schnurrer. Eine aufwändige Zeremonie, kostspielige Beherbergung und Geschenke gehörten dazu.
Ein Kaiser kam stets mit Gefolge. Beim Besuch Kaiser Friedrich III. wurden Ställe für 1 000 Pferde bestellt. Wie ein „Heuschreckenschwarm“ mag das Gefolge über die Stadt hergefallen sein, zu deren Pflichten es gehörte, das Spektakel gänzlich ohne Entschädigung auszurichten.
Einige Tage vor dem Eintreffen des Regenten regelte ein kaiserlicher Fourier die Quartierbelegung. Er ging von Haus zu Haus und besichtigte die Unterkünfte. Erst ab 1612, als Kaiser Matthias einzog, übernachteten die Herrschaften regelmäßig im Rathaus. Dafür wurden von Schreinern eigens Verschläge und Gänge aus Holz errichtet, wo sich der Kaiser möglichst ungestört bewegen und auch nächtigen konnte.
Schon der Empfang des Kaisers mit seinem Gefolge war von Bedeutung und man wollte sich als Reichsstadt entsprechend präsentieren: Kaiser Friedrich III. wurde an der Landwehrgrenze bei Reichardsroth von zwei „redegewandten“ Patriziern und 50 städtischen und mit „Harnisch gerüsteten“ Reitern empfangen. An den Stadteingängen, 1474 war es das Galgentor, wurden dem Kaiser die Stadtschlüssel auf einem rotsamtenen Kissen überreicht – ein symbolischer Akt. Ein Spalier aus der Bürgerschaft vom Galgentor bis zum Marktplatz säumte den Kaisereinzug. Traditionell hielten der amtierende und der vorherige Bürgermeister dabei die Steigbügel des Kaisers, eine alte Demutsgeste.
Und das war’s dann auch schon mit der Bürgernähe. „Nach dem Einzug der Gäste in ihre Quartiere entzogen sich die Herrschaften der gaffenden Schaulust der Bürger – und auch der Einflussnahme des Stadtregiments“, so Schnurrer. Nun ging es darum, die kostspieligen Pflichten zu erfüllen – und dazu gehörten jede Menge Geschenke.
Der Stadtschreiber aus dem Jahr 1474 hat akribisch Buch geführt: Neben Gold- und Silberpokalen mit Bargeld wurden große Mengen von Wein, Fisch und Hafer geschenkt. Auch das gesamte Gefolge erhielt Geschenke. Zusätzlich mussten Kaiser und Gefolge verköstigt werden. Hühner, Kapaune, Gänse, Enten, Fasane und mehr – insgesamt rund 350 Tiere – hat die Stadt Kaiser Joseph I. im Jahr 1702 für einen einzigen Tag zur Verfügung gestellt.
Natürlich gab es beim Kaiserbesuch auch kirchlich-religiöse Zeremonien und am Morgen des letzten Besuchstags eine Huldigung. Der Huldigungsakt, bei dem die Huldigungsformel vom Rat und der Gemeinde gesprochen wurde, war ein festlicher Moment, der – so es dem Kaiser beliebte – öffentlich auf dem Marktplatz vollzogen wurde. Und dann war das Spektakel wieder vorbei. Der Kaiser reiste wieder ab.
Die moderne Zeit bricht an
Eine Generation erlebte damals einen maximal zwei Kaiser- oder Königsbesuche. Im 20. Jahrhundert konnte man in Rothenburg dann durchaus öfter einem König oder Kaiser begegnen. Blättert man die Gästebücher der Stadt Rothenburg und des Hotels Eisenhut (Jahrzehnte lang die erste Adresse in der Stadt) durch, dann sieht man die Eintragungen von Prinzen, Prinzessinnen und Regenten aus fernen Ländern. Ein großes Ereignis war sicherlich der Schah-Besuch im Jahr 1967. Eine Polizeieskorte soll den Kaiser damals in die Stadt geleitet haben.
Johann Kempter, Leiter des einstigen Amts für Kultur und Fremdenverkehr und seit geraumer Zeit im Ruhestand, war eng eingebunden in die Sonderbesuche. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm der Besuch des japanischen Kronprinzen Naruhito im Jahr 1987, der seit 2019 der Kaiser von Japan ist.
„Im Vorfeld war das ein riesen Aufwand“, so Kempter. Vertreter der japanischen Botschaft und der Staatskanzlei München haben die Rahmenbedingungen in Rothenburg eruiert. Der Prinz kam mit einem Hofstaat aus etwa acht Personen und nächtigte im Hotel Eisenhut. Es gab ein offizielles Abendessen und damit das erste Problem: „Der Prinz, damals 29 Jahre alt, war unverheiratet und eigentlich durfte keine Frau mit ihm essen“, so Kempter. Traudl Reingruber war damals Bürgermeisterin. „Es ging hin und her, aber am Ende saß die Bürgermeisterin mit am Tisch“, so Kempter.
Um dem zukünftigen Kaiser auch ein Einkaufserlebnis in Rothenburg zu ermöglichen, richteten Einzelhändler im Eisenhut kleine Stände ein. „Der Prinz wollte dann aber doch direkt in den Läden der Altstadt einkaufen gehen“, erinnert sich Johann Kempter.
Besuche von Kaisern und Königen wurden in neuer Zeit immer seltener – oder die Adeligen wollten sich nicht zu erkennen geben. Auf König Carl Gustaf von Schweden und Königin Silvia ist Johann Kempter aus Zufall am späten Abend am Schrannenparkplatz getroffen.
Im Verlauf des letzten Jahrhunderts kamen vermehrt Politiker, Schauspieler und Musiker nach Rothenburg und lösten somit die Adelsbesuche ab. Alfons Goppel, von 1962 bis 1978 Ministerpräsident von Bayern, prägte einst die Aussage, Rothenburg sei die gute Empfangsstube Bayerns.
Wenn Franz Josef Strauß oder Edmund Stoiber sich ankündigten, war das Sicherheitsaufgebot groß. „Die Polizei ging dann mit Bomben- oder Sprengstoffspürhunden durch das Rathaus“, erinnert sich Johann Kempter. Als Strauß während seines Wahlkampfs nach Rothenburg kam, hatte er ein gepanzertes Rednerpult dabei. „In einer gefährlichen Situation sollte ich auf einen Knopf drücken und eine Panzerscheibe wäre hochgefahren“, erzählt Kempter.
Die großen Namen haben sich im Gästebuch der Stadt aber über die letzten Jahre rargemacht. Der Grund dafür: Die Zeiten mögen sich einfach geändert haben und Corona hat das Seine noch dazu getan. am