Lebendige Geschichte

1. Juli 2022

Lebendige Geschichte

Alfred Albrecht führt mit Leidenschaft und Wissen durch Schloss Kirchberg

„Keine Angst, ich bin nicht der Schlossgeist“, sagt Alfred Albrecht nach einigen einleitenden Worten. Um ihn herum hat es sich eine Gruppe von Männern und Frauen im Schlossmuseum bequem gemacht. Albrecht achtet darauf, dass jeder einen Sitzplatz hat, ihn sieht und gut hört. Seit 2005 führt er interessierte Gruppen durch das Kirchberger Schloss – und zwar mit Leidenschaft.

Alfred Albrecht, agile 79 Jahre alt, kam im Jahr 1956 als Junge mit seinen Eltern aus dem Sudetenland nach Hohenlohe. Die älteren Flüchtlinge hätten damals im Schloss eine Unterkunft gefunden, erinnert er sich. Das Schloss war für ihn also von Beginn an präsent.

Engagiert für die Heimat

Mit seiner Frau, die er – wie es der Zufall will – auch im Schloss kennenlernte, hat er ein 200 Jahre altes Haus nur einen Steinwurf vom Schlossareal entfernt gekauft, entkernt und restauriert. Seit 50 Jahren lebt er dort. Gearbeitet hat er 46 Jahre lang in Crailsheim in einem Innendekorationsgeschäft. In Kirchberg hat er sich stets engagiert: Er war knapp zehn Jahre Vorsitzender des Vereins Liederkranz Kirchberg und über 22 Jahre dessen Chronist und Schriftführer. Er ist Gründungsmitglied des Museums- und Kulturvereins (und war zehn Jahre Kassier). Seit über 20 Jahren ist er CDU-Mitglied und war von 1980 bis 1984 Gemeinderat und Fraktionsvorsitzender.

Seine Liebe zur Heimatgeschichte hat er schon als Junge in der Schulzeit entdeckt. Eugen Schmidt hieß sein Lehrer. „Den habe ich mit meinen Fragen gelöchert“, erinnert sich Albrecht. Ihm sei Dank, dass er das Interesse des Jugendlichen ernst genommen und gefördert hat.

Es sollte aber noch eine ganze Zeit lang dauern, bis Alfred Albrecht sein Wissen weitergeben konnte. „Am 29. September 2001 habe ich meine erste Stadtführung gemacht“, erzählt er. Er weiß das so genau, weil er seitdem ein Buch führt, in das er jede Führung mit Angabe der Teilnehmerzahl einträgt. Im Jahr 2001 war das aber keine Schlossführung, sondern eine Stadtführung. Bis etwa 2005 gab es in Kirchberg samstags um 17 Uhr immer Stadtführungen von Albrecht oder seinen Kollegen. „Aber dann wurde die Nachfrage stetig schlechter“, erinnert sich Albrecht.

Also hatte er die Idee, Themenführungen anzubieten. Führungsangebote wie „Historische Gärten in Kirchberg“, „Vom Bauernkrieg zum Schmalkaldischen Krieg“ oder auch die Abendführungen „Mysteria“ liefen sehr gut. Bei „Mysteria“ hat Albrecht parapsychologische Erfahrungen, beispielsweise Spuk-Erlebnisse, auf wissenschaftlicher Basis erklärt.

Bereits seit 1965 gab es im Schloss Kirchberg ein Schlossmuseum, das vom Heimleiter des Alten- und Pflegeheims, das seit Ende des Zweiten Weltkriegs im Schloss untergebracht war, partiell mit Führungen zugänglich war. „Der Heimleiter Günter Paetz hat mich dann als Schlossführer ins Gespräch gebracht“, erzählt Albrecht.

In Kirchberg war bekannt, dass Alfred Albrecht ein fundiertes historisches Wissen hat. Er hat sich unglaublich viel angelesen und im Hohenloher Zentralarchiv Neuenstein geforscht. Außerdem war Harro Schaeff-Scheefen, der Verfasser des Standardwerks über die Kirchberger Historie, sein Nachbar und Freund. Bei den wöchentlichen Treffen sind so Geschichten weitererzählt worden, die in keinem gedruckten Werk zu lesen sind. Am 26. April 2005 hat Alfred Albrecht die erste Gruppe durch das Schloss geführt. „Das waren Besucher von Kloster Lorch“, erinnert er sich genau.

Seine Führungen zeichnen sich durch eine Lebendigkeit aus, die nur möglich ist, wenn jemand sattelfest aus dem Vollen schöpfen kann. Wenn er den Menschen von Kirchberg erzählt, dann spricht da ein echter Hohenloher. Salopp galoppiert er durch knapp 800 Jahre Stadtgeschichte.

Geschichten statt Zahlen

Dabei überfrachtet er sein Publikum nicht mit Jahreszahlen. „Das ist langweilig. Da hört doch niemand mehr zu“, ist seine Einstellung. Vielmehr macht er die historischen Geschehnisse an Personen und an Erlebtem greifbar. Er erzählt Geschichten vom Leben und von den Entscheidungen der Fürsten und Bürger. Bei seinen Führungen geht es nach seinem verbalen Ritt durch Entstehung und Blütezeit des Schlosses (im Schlossmuseum) weiter in die Pfarrer Meyer Stube. „Dieser Pfarrer hat sehr viel für die Bevölkerung getan, beispielsweise den Bauern die Rinderzucht und den Kartoffelanbau näher gebracht“, so Albrecht. Von dort geht die Gruppe in das Turmzimmer mit herrlicher Aussicht und zum Abschluss in den imposanten Rittersaal mit seinen 14 Deckengemälden von Joachim Georg Creutzfelder aus Pfedelbach. „Das sind leider nur Kopien“, erzählt er. Die Originale sind seit einigen Jahren in Schloss Neuenstein zu sehen.

In seinem DIN A 4-Buch notiert Alfred Albrecht jede Führung, die er seit 2001 geleistet hat. Insgesamt hat er 893 Führungen mit genau 16 190 Teilnehmern in Kirchberg angeboten (Stand vom 11. Mai). Davon allein 573 im Schloss, mit 12 356 Interessierten. 70 Prozent seiner Einnahmen aus den Schlossführungen spendet er seit Beginn zur Restaurierung des Schlosses. „Knapp 20 000 Euro sind schon zusammengekommen“, so Albrecht.

Jede Führung beendet Albrecht mit dem Zitat eines Gedichts des einstigen Kirchberger Bürgermeisters Max Wendler, das dieser in der Gefangenschaft in USA geschrieben hat: „… und wenn du flehend nach Heimat fragst, ich nenn‘ dir betend mein Kirchberg an der Jagst.“

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Stadtführer Alfred Albrecht möchte Menschen für die Kirchberger Historie begeistern. Fotos: am
Jede Führung trägt Alfred Albrecht in ein Buch ein und fügt Fotos und Ausschnitte von Zeitungsberichten dazu.

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