In die Wiege gelegt

10. Januar 2025

In die Wiege gelegt

Patrick Riefer Kraus, ein besonderer Kunstdesigner

Der Urgroßvater unterrichtete einst den bayerischen König Ludwig II. im Spiel der Zitter, sein Vater Friedel war ein Meister in der Lüftlmalerei und seine Großmutter (alle Familie Kraus väterlicherseits) malte kunstvoll hinter Glas. Sein Onkel war Porzellanmaler, ein anderer Onkel bemalte Krüge und Bauernschränke und die Hausmusik war eine Selbstverständlichkeit im Hause des Kunstdesigners Patrick Riefer Kraus. So wuchs er (1975 geboren) in der reizvollen Berglandschaft im Chiemgau im kleinen Ort Bergen am Hochfelln behütet auf. Das Bild (siehe unten) „Ein Heimatstück“ zeigt den Blick von der schlafenden Jungfrau vom Hochfelln ins Tal. Ein Ort, an dem er sich als Kind oft aufgehalten hat.

„Hirsche und Gämsen waren für uns früher ein gewohnter Anblick. Heute gibt es nur noch einen Bruchteil der damaligen Populationen, da der Trophäenwahn seinen Tribut gefordert hat“, sagt er.

Von allen möglichen Werkzeugen der Kunst umgeben, probierte er sich in vielen kreativen Bereichen aus. Bereits mit fünf Jahren übte er sich bewusst in der Zeichenkunst. Sein allererstes Werk, eine Porträtzeichnung von Leonardo da Vinci, Motive von August Macke sowie viele Requisiten seiner Kindheit hütet er in seinem heutigen Rothenburger Atelier wie einen persönlichen Schatz. „Ich habe sogar noch meinen ersten Farbkasten, den ich von meinem Vater bekam, weil ich ihm ständig seine Farben klaute,“ sagt der Künstler lächelnd. Aus eigener Erfahrung weiß er, dass das Beherrschen von eindimensionalen Zeichnungen die Voraussetzung für die mehrdimensionale Malerei ist. Großvater Josefs (mütterlicherseits) „Wundermaschine“, eine kleine „Roto-Druckpresse“, diente ehemals zur Produktion von Flugblättern vor und nach der Machtergreifung Hitlers. Ebenso wie eine kleine Siebdruckmaschine, auf der später erste Druckarbeiten entstanden. Und beides gehört immer noch zum lebendigen Inventar seines Ateliers. So entwickelte Patrick Riefer Kraus ein Faible zum Druckereihandwerk. „Ich wuchs auf dem Schoß meines erblindeten Opas mit Geschichten vom Leben und Krieg auf und wurde schon früh angeleitet, seine Pfeife anzuzünden“, erinnert er sich.

Requisiten der Kindheit

In seinem Elternhaus hielten sich während des Zweiten Weltkrieges jüdische Mitbürger versteckt, aus dessen Nachlass ein hölzerner Flüchtlingskoffer und ein Klavier eines Berliner Pianisten zurückgeblieben sind. Das Instrument wurde Gegenstand seines frühen Klavierunterrichts und das Gepäckstück diente lange Zeit als Retuschenkoffer für die Malutensilien von Patrick Riefer Kraus. Umgeben von so vielen künstlerischen Requisiten seiner Kindheit, gab es ein sehr breites Materialspektrum, um sich in der Malerei und Druckkunst sowie in der Musik zu üben. „Für mich war das Künstlerisch -Musische ein ganz selbstverständlicher Teil meiner Jugend“, sagt er so ganz nebenbei.

Schon in seiner Jugend fiel sein Augenmerk auf die Kunst der Holzbildhauerei. Einer seiner Onkel stellte Holzrechen her. „Holz ist ein warmer Werkstoff, der mir mehr entspricht, so wie ich auch die Techniken zur Herstellung von Plastiken mit Ton, Mehrkomponentenwerkstoffen, Wachs und Bronze bevorzuge, weil es eher meiner Arbeitsweise und meinem kreativen Denken entspricht,“ betont Riefer Kraus. Es wurde ihm ein sogenanntes Berufsgrundschuljahr für Schreiner als Vorbereitung zum Holzbildhauer empfohlen.

Während seiner Schreiner-Lehre im bayerischen Unterwössen kam der junge Künstler in den Genuss, Schnitzwerke und Täfelungen des alten Münchner Gerichtsgebäudes mit zu restaurieren. Auch war das Handwerk der Möbelschreinerei Teil der Lehre. Und so wurde das Berufsgrundschuljahr kurzerhand ausgeweitet und die Lehre abgeschlossen, womit sich handwerklich künstlerisch neue Horizonte ergaben.

Im Jahr 1995 machte sich der heutige versierte Schöpfer vieler Designerprodukte mit einem eigenen Atelier im Chiemgau selbstständig. Das ist jetzt genau dreißig Jahre her, nur das er jetzt mit seiner Kreativität im eigenen Atelier in der Stadt Rothenburg mit zahlreichen Aufträgen betraut ist. Im Chiemgau befasste sich der Kunstschaffende mit Restaurationsarbeiten von sakralen Elementen wie Einbauten von Zierden in dem barocken Gotteshaus Maria Eck in der Nähe seines Heimatortes. Dort gibt es so viele Kunstschätze, die erhalten bleiben sollten. In Franken liegen die künstlerischen Herausforderungen neben Restaurationen auch im Erschaffen neuer Kunstwerke wie der Meistertrunk-Spieluhr (Nachbau zum 100-jährigen Spieluhr-Jubiläum) und das Meistertrunkgemälde in der Rothenburger Ratsstube sowie in Raum- und Konzeptgestaltung und Malerei.

Patrick Riefer Kraus ist mit seinen Aufgaben gewachsen. Neue Ideen machen stetig neue Kreativtechniken wie verschiedene Mal- oder Drucktechniken wie Hoch-, Tief- und Flachdruck nötig. Riefer Kraus ist in vielen Kunstbereichen bewandert. „Jede Technik hat seine Stärken und Schwächen, die man nutzen kann. So eignet sich der Siebdruck hervorragend für klare Farben und Formen. Die Lithografie dagegen ermöglicht weiche Verläufe bis satte Tiefen“, erklärt der Kunstdesigner. Bei den ersten Übungen und Experimenten war der Kunstschaffende stark geprägt vom Expressionismus hin zum Impressionismus und Realismus. Heute mischt er gerne Impression und Realismus, abstrakt und konkret.„Ich bin oft in Adelshäusern zur Porträtierung von Familienmitgliedern und Ergänzung der Ahnengalerie berufen worden und nicht selten sollten Requisiten und Zierden wie bestimmte Statussymbole aufwertend ergänzt werden“, erzählt Riefer Kraus aus dem Nähkästchen.

Von Anfang an waren Kulissen und Illusionsmalerei wesentlich. Allerdings ist er auch als versierter Bildhauer und Grafiker bekannt. Er erstellte im Raum Rothenburg ein Raumkonzept für eine Weinpräsentation, wofür er ein historisch orientiertes schweres Schrankmöbel mit Schnitz und Drechselwerk als Symbol für die lange Reifezeit des Rebsaftes schreinerte. Auch Kinderarztpraxen erhielten seine gestalterische Handschrift. Eine alteingesessene Rothenburger Pizzeria bekam eine neue Innenraumgestaltung.

Skulpturen fertigt er aus Gips, die von Hand bemalt und ggf. vergoldet werden. Natürlich gehören auch geschnitzte Werke dazu. Für die ersten Kunstdrucke baute sich der vielschichtige Künstler mit 15 Jahren eine alte Wäschemangel vom Flohmarkt zu einer Druckerpresse um. Ob Malerei, Reproduktion, Stuckarbeiten, Kunstdrucktechnik aller Art oder Restaurationen, all das braucht unterschiedliche Gegebenheiten und Räume. Es sei denn, er arbeitet vor Ort am Objekt oder Fassade. Deshalb hat Patrick Riefer Kraus seine Werkstatt und sämtliche Werkräume den Anforderungen entsprechend in Einzelwerkstätten gegliedert.

Aber wie ist er nach Rothenburg gekommen? „Mein Vater pflegte schon während meiner Kindheit regen Kontakt zur Firma Käthe Wohlfahrt hier in Rothenburg. Er war an der Gestaltung des Weihnachtsdorfes mit beteiligt“, erzählt Patrick Riefer Kraus. Harald Wohlfahrt kontaktierte Vater und Sohn 2002 mit der Idee zu einer temporären Ausstellung in Rothenburg, in den Räumen an der Jakobskirche, wo heute das Café Lebenslust zu finden ist. Aus der Ausstellung wurde eine feste Galerie und später verließ Patrick Riefer Kraus sein Zuhause und zog in seine neue Wahlheimat Rothenburg.

Er eröffnete sein Atelier „Am Fischhaus“ im ehemaligen Großhandelsgebäude, auch bekannt als „Uschi“ und engagiert sich seit 2006 im örtlichen Künstlerbund. „Im Jahr 2020 wurde ich zu dessen kommissarischen Vorsitzenden und Kassier, um diesen durch die unruhigen Fahrwasser der nachfolgenden Ereignisse zu manövrieren, was zum Glück auch gemeinsam gelang“, sagt er zufrieden. Auf einer Rothenburger Baustelle erhielt er einen künstlerischen Auftrag. Als der Chiemgauer zu den Bauleuten stieß, wurde ihm mitgeteilt, dass man erst noch auf den Künstler namens „Giotto“ warten würde, weil einem dieser empfohlen worden ist. Ungeahnt dessen das „Giotto“ bereits eingetroffen war. Patrick Riefer Kraus hatte den Spitznamen „Giotto“ von seinem guten alten Bekannten und Freund Alfredo Cocciarelli, dem jüngst verstorbenen Inhaber der Rothenburger Ratsstube, erhalten. Eine Überlieferung besagt, dass der weltberühmte italienische Maler Giotto di Bondone (1267–1337), im Gegensatz zu seinen Berufskollegen, ein Künstler ohne Allüren gewesen sein soll, der auch seinen Meistermantel (ein wichtiges Statussymbol) selten trug, sondern lieber ohne ging, ebenso wie Patrick Riefer Kraus, der lieber eine Schürze bei der Arbeit trägt und einen ebenso offenen Umgang auf Augenhöhe pflegt wie einst der Künstler „Giotto“. Seit fast zwei Jahren betreibt Patrick Riefer Kraus gemeinsam mit seiner Freundin, der Goldschmiedin Juliane Sander, eine kleine Galerie für Kunst, Schmuck und Design in der Rothenburger Herrngasse. Der künstlerische Tausendsassa kann sich mit seinem ständig fließenden Ideenreichtum später kein Leben in Rente vorstellen. Einmal Kunstdesigner, immer Kunstdesigner. ul

Patrick Riefer Kraus vor seinem Bild „Ein Heimatstück“. Es zeigt einen Hirsch auf dem Plateau der sogenannten „Schlafenden Jungfrau“ mit Blick auf den Chiemsee, ein Ort seiner Kindheit. Foto: ul
Seit April 2023 gibt es die kleine Galerie in der Herrngasse. Foto: ul

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