Fundament fürs Leben

10. Januar 2025

Fundament fürs Leben

„Der kleine Hof“ – wo Kinder groß werden

Dichter Nebel liegt über dem winterlich feuchten Boden. Feuerwehrmänner und Frauen werden auf der Wiese des Bauernhofkindergartens „Der kleine Hof“ in Buch am Wald von Kindern umzingelt. Denn heute ist Feuerwehrtag. Die Kinder lernen etwas über die Arbeit der Brandschützer, dürfen aber auch mit dem Wasserschlauch Dosen vom Holztisch spritzen.

Draußen sein, matschen, Tiere versorgen und sogar im eigenen Gemüsebeet etwas säen, die Pflänzchen pflegen und ernten, das bietet der integrative Natur- und Bauernhofkindergarten. Ja, richtig gelesen, hier dürfen auch Kinder mit Handicap sein. Manche Eltern wundern sich, dass ihr Kind plötzlich Tomaten- oder Kürbissuppe mag. Selbst erzeugt schmeckt es eben doch am besten. Es gibt sie, die Bauernhofkindergärten für Zweieinhalb bis Sechs-Jährige, aber nur 90 Einrichtungen (laut Recherchen und über das Netzwerk der BAGLoB e.V.) dieser Art deutschlandweit.

„Der kleine Hof“ ist das Ergebnis einer längeren Suche nach beruflichen Gemeinsamkeiten der Heilpädagogin Ruth Bayer und ihrem Mann Martin, Betriebsleiter und Techniker für Landbau auf seinem Milchviehbetrieb in Frommetsfelden.

Auf dem elterlichen und ehemaligen Hofgelände von Ruth Bayer in Buch am Wald ist die Kita „Der kleine Hof“ seit 2021 ansässig. Zuvor war es eine Außenstelle des christlichen Kindergartens des GMS e.V. Auerbach, die im Gemeindehaus Frommetsfelden kurzzeitig untergebracht war. Gemeinsam mit Heilerziehungspflegerin Mirjam Buckel, Lisa Bayer (Sozialpädagogin), Andrea Müller (Kinderpflegerin) in Teilzeit und Laura Zapf als Leiterin und Erzieherin in Vollzeit ist Ruth Bayer (gerade in Elternzeit) von einem kompetenten Team umgeben.

Alle verfolgen ein gemeinsames Ziel: Mensch, Natur und Umwelt lieben lernen, um sie zu schützen. Dabei steht das Kind mit allen seinen Bedürfnissen sowie die Förderung von sozialen und praktischen Kompetenzen im Mittelpunkt, um es für die Zukunft zu rüsten.

Das Konzept basiert auf dem „Situationsorientierten Ansatz“, der von Armin Krenz (Institut für angewandte Psychologie und Pädagogik) in den 1980er-Jahren entwickelt wurde. Krenz geht davon aus, dass sich im Spielverhalten, in gemalten Bildern, Worten, Bewegungen und Träumen der Kinder zurückliegende Ereignisse, Erfahrungen und Eindrücke widerspiegeln.

Die Gegenwart ist somit ein Abbild der Vergangenheit. Deshalb, so die Schlussfolgerung des Situationsorientierten Ansatzes, entwickeln Kinder emotional-soziale Kompetenzen am besten, indem sie individuelle Erlebnisse und Erfahrungen verarbeiten und verstehen lernen. Die Themenauswahl auf dem kleinen Hof basiert demzufolge auf dem, was die Kinder gerade bewegt.

Was die Kleinen beschäftigt

Das beginnt schon im täglichen Morgenkreis um 9.30 Uhr. Dazu gehört auch, dass die Kleinen ihre Gefühle ausdrücken und einschätzen lernen und in der Lage sind, sie zu äußern. Auf dem kleinen Hof werden „Gefühlskarten“ eingesetzt. Mit einem bunten Glasstein können sie die eigene Gefühlslage auf einer Karte markieren, die der momentanen Emotion entspricht. Jedes Kind kommt mit einem Gefühl an, lernt es zu erkennen und auszudrücken und zu sagen, was es gerade braucht. So entsteht Vertrauen zueinander und die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen (Empathie). Unterstützt wird diese soziale Kompetenz durch das Handpuppenspiel, anhand dessen schöne und schwierige Situationen nach gespielt, nachempfunden und bearbeitet werden. Das Ergebnis ist gegenseitiges Verständnis und eine gute Beziehung zueinander.

„Die Beteiligung und Mitbestimmung bei täglichen Entscheidungen (Kinderkonferenz), beispielsweise bei der Gestaltung der Weihnachtsfeier, spielt eine wichtige Rolle“, sagt Ruth Bayer. Sogar ein Lieblingsessen wird gemeinsam ausgewählt. Zudem soll in den Mädchen und Jungen Neugierde geweckt und zum Nachdenken über sich und die Welt angeregt werden, um sie dann zum Handeln zu motivieren. Beim Entdecken und Forschen erkunden die Kinder ihre Umwelt und erleben, dass sie selbst Fragen stellen und Lösungswege finden können.

Die Hühner brauchen einen sauberen Stall, benötigen Futter und Wasser, bevor sie auf der Kindergartenwiese den Tag verbringen dürfen. „Was brauchen wir dafür und wo finde ich eine Mistgabel, Futter und Wasser?“, Fragen, die den Kindern gestellt werden, um lösungsorientiert gemeinsame Entscheidungen zu treffen und Arbeitsabläufe zu bestimmen. „Die Tiere dienen oft auch als ,Eingewöhungshelfer‘, wenn neue Kinder im September zu uns kommen“, so Ruth Bayer. Sind die Tiere versorgt, gehen Mensch und Tier ins Freie. Später ist es Zeit für die Frühstückspause.

Der Kindergartenrucksack wird in die Schaufel der heiß begehrten „Tretbulldogs“ gepackt und los gehts unter das Vordach des Bauwagens, der bei zu schlechtem Wetter als Unterschlupf dient. Im Inneren bietet er Raum zum Ausruhen, zum Bücher lesen oder für die Kleingruppenarbeit.

Die meiste Zeit sind die Kinder draußen, schön eingepackt mit warmer und wetterfester Kleidung, die auch richtig schmutzig werden darf. „Eltern müssen damit einverstanden sein, dass ihr Kind zum einen richtig schmutzig werden darf und vor allem, dass christliche Werte gelebt werden“, so Ruth Bayer. Eine wertschätzende Haltung dem anderen gegenüber ist nach christlichem Verständnis „Alle Menschen sind vor Gott gleich wertvoll“, essenziell. Ganz gleich ob Mensch oder Tier.

Da kommt es dann schon mal vor, dass ein Kind so was sagt wie: „Hey, ich bin nicht falsch! Nur, was ich gemacht habe, war nicht in Ordnung!“ oder: „Schau mal, wie schön Gott diese Blume gemacht hat!“, „Den Käfer darf man fei nicht töten, denn der ist auch wertvoll“.

Einmal in der Woche verschlägt es die Kinder in den Wald. Auf morschem Holz präsentiert sich Käfer und „Gewürm“ in Hülle und Fülle.

„Ein weiterer Schwerpunkt würde ich sagen, ist das wir die Kinder ,resilient‘ für die Zukunft machen wollen. Sie wachsen in der Fähigkeit, in Stresssituationen und nach Rückschlägen schnell wieder aufzustehen, fokussiert und optimistisch zu bleiben. Hierfür nutzen wir auch den christlichen Glauben“, so Laura Veit. Biblische Geschichten, fetzige Lieder und Gebete machen die Kinder „stark“.

„Wir stellen ihnen Jesus als ihren Freund und Beschützer vor, der sie kennt und liebt und sich im Alltag um sie und ihre Probleme kümmert“, betont Mirjam Buckel. Zu dem Bibelvers „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch“ gibt es ein Lied für Kinder, das regelmäßig im Morgenkreis gesungen wird. Je nachdem, wo der Schuh drückt, werden die Sorgen symbolisch mit den Händen hervorgeholt, zu einem „Schneeball“ geformt und ganz weit weg geworfen. „Dabei stellen wir uns vor, dass Jesus ihn auffängt und sich um die Sorgen kümmert“, erzählt Mirjam Buckel.

„Eltern fühlen sich mit ihren Fragen und Problemen gesehen und verstanden. Sie empfinden die Atmosphäre der Kita so schön und begrüßen es, dass unsere Kultur in Form von Festen und Gebräuchen wie Weihnachten und Ostern gelebt wird“, so Ruth Bayer.ul

Ein kompetentes pädagogisches Team arbeitet zum Wohl der Kinder. Foto: ul
Die Matschküche, der große Sandkasten, die Schaukel und das Klettergerüst sorgen für Spaß und fördern die Motorik. Foto: Privat

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