„Es geht um die Sache“

1. September 2024

„Es geht um die Sache“

Gertrud Schneider hat vor 50 Jahren die Stadtpfeifferey gegründet

Gertrud Schneider, 92 Jahre alt und geistig topfit, ist ein bescheidener Mensch. Geht es um die Stadtpfeifferey und ihre Verdienste, dann wiegelt sie ab. Sie sieht nicht sich im Vordergrund, sondern betont das Wirken in der Gemeinschaft. „Aber eine Gemeinschaft braucht jemanden, der alles zusammenhält. Und das war immer Gertrud“, erzählt Hans Hauptmann, der – damals als Gymnasiast – von Anfang an dabei war.

Eigentlich begann alles in den 60er-Jahren. Gertrud Schneider besuchte ein Konzert mit historischen Instrumenten auf der Kaiserburg in Nürnberg. Eine Leidenschaft war gesät. Sie nahm Gesangsstunden, gehörte zum Rothenburger Kammermusikkreis und sang im Madrigalchor des Taubertals. In den 70er-Jahren kam in Rothenburg die Idee eines historisch fundierten Fests auf – die Reichsstadttage. Gertrud Schneider wurde gefragt, ob sie einen Beitrag leisten könnte. „In den ersten beiden Jahren der Reichsstadttage zogen wir als Gesangsgruppe mit Geigen- und Flötenspielern durch die Stadt“, erinnert sie sich.

Wenn Gertrud Schneider etwas anpackt, dann hat es stets eine fundierte Basis. Sie recherchiert Hintergründe auf wissenschaftlicher Basis, ist dabei beharrlich und weiß gleichzeitig, wie man seine Mitmenschen dazu motiviert, mitzumachen.

Zur Musik der Renaissance gehören auch Tänze. Also hat sie für die Reichsstadttage 1977 eine Tanzgruppe ins Leben gerufen. Hans Hauptmann, damals der Jugendfreund ihrer Tochter, ist unter den Abiturienten des Jahrgangs auf Tänzersuche gegangen. Mit fünf Tanzpaaren war die Stadtpfeifferey im Jahr 1977 an den Reichsstadttagen vertreten.

Das Konzept ist seitdem unverändert: Musiker, Chor und Tänzer lassen die Zeit der Renaissance lebendig werden. Im Goethe- und im Burggarten treten sie an den Reichsstadttagen (6. bis 8. September, Programm Seite 36) auf.

„Jeder konnte mitmachen“, so Schneider. Der Anspruch an Musiker und Tänzer war aber groß. Über Hans Hauptmann entstand der Kontakt zu Franco Ferrarese. Der in Salzburg und London ausgebildete Tanzlehrer gab der Rothenburger Gruppe Unterricht. Dabei ging es um die exakte Kopfdrehung oder wo genau ein Fuß zu setzen war. Der Gruppe war stets wichtig, die Zeit der Renaissance fundiert darzustellen. Für alles andere wäre Gertrud Schneider nicht zu gewinnen gewesen. Aus dem Wunsch nach Perfektion heraus haben sie und ihre Mitstreiter auch zahlreiche historische Instrumente angeschafft und gelernt, diese zu spielen.
Im Keller ihres Hauses war lange Jahre der Probenraum der Stadtpfeifferey. Noch heute hängen hier viele Plakate an den Wänden, darunter auch eines aus Japan, wohin die Gruppe eingeladen war.

Die Stadtpfeifferey, die sich um einen harten Kern locker firmiert und bis zu 80 Personen umfasst, hat viele Kontakte geknüpft. Seit 40 Jahren kommt ein Bläserensemble aus Nürnberg, Profimusiker, zu den Reichsstadttagen und begleitet Musiker und Tänzer. Ganze Familien sind in die Stadtpfeifferey hineingewachsen und der Generationenwechsel wurde gepflegt. Gertrud Schneider hat sich vor acht Jahren vom aktiven Geschehen zurückgezogen.

Die Teilnahme an den Reichsstadttagen ist aber nur das eine. Gertrud Schneider hatte noch weitere Ideen für die Tänzer und Musiker der Stadtpfeifferey. Die Märchen Aschenputtel und König Drosselbart wurden aufgeführt und sie hat die Drehbücher dazu geschrieben. Außerdem unterhielt die Stadtpfeifferey mit Hochzeitsmusik aus dem Hause Medici.

Und dann war da noch der „Totentanz“. Ein Herzensprojekt. Neben der ausführlichen Recherche und einem Jahr Beharrlichkeit, bis sie die Noten erhielt, hat Schneider auch die Choreografie geprägt. „Da habe ich mich durchgesetzt“, erinnert sie sich. Die 16 Typen, die der Tod umgarnt, arrangierte sie in einem Kreis und lässt sie konsequent im Pavanschritt schreiten. „Ich wollte die Unerbittlichkeit des Todes darstellen“, so Schneider. Für den „Totentanz“, der dreimal in Rothenburg und achtmal in anderen Städten aufgeführt wurde, gab es viel Lob. Sogar eine Professorin aus Salzburg, die sich mit der Totentanzforschung beschäftigte, würdigte die herausragende Aufführung.

Neben all diesen Projekten mit der Stadtpfeifferey hat Gertrud Schneider 50 Jahre im Kirchenchor und Kammermusikkreis gesungen, war im Literaturkreis des Frauenbunds engagiert und hat über 30 Jahre als Führerin in der St-Jakobs-Kirche und der Detwanger Kirche Interessierten Wissen vermittelt. Auf die Frage, was ihr Antrieb war, antwortet sie: „Es ging immer um die Sache“. am

Gertrud Schneider hat in ihrem Haus zahlreiche Erinnerungsbilder an besondere Auftritte und Momente der Stadtpfeifferey. Foto: am
Die Gruppe der Stadtpfeifferey in den ersten Jahren der Reichsstadttage. Foto: Privat

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