Eine Hommage an Rothenburg
1. Juni 2022
Eine Hommage an Rothenburg
Ausstellung in der Johanniterscheune des Kriminalmuseums: 160 Werke haben Rothenburg zum Sujet
Dass die Künstler und Maler Rothenburg geliebt haben, ist bekannt. Wie sehr sie allerdings von der Stadt angezogen wurden, war bislang nicht recht greifbar. In der Sonderausstellung „Eine Begegnung mit Rothenburg – Kunst und Künstler zwischen 1810 und 1970“ in der Johanniterscheune des Kriminalmuseums wird nun die Stellung der Tauberstadt in der Kunstszene erlebbar. Die beiden Kunsthistoriker Dr. Karl-Heinz Schneider, Rothenburger und ehemaliger Leiter des Kriminalmuseums, und Museumsmitarbeiterin Anja Bergermann haben die Ausstellung kuratiert. Mindestens zwei Jahre Arbeit – noch dazu unter erschwerten Coronabedingungen – stecken darin.
Rund 160 Zeichnungen, Radierungen, Aquarelle, Ölbilder, Kreidezeichnungen, Drucke, Lithografien und auch eine Fotografie aus den Reihen des Bauhauses sind verteilt auf drei Etagen zu sehen. Etwa 80 Prozent der Objekte stammen aus Privatbesitz und sind weitgehend zum ersten Mal zu sehen. Nur der gute Kontakt von Karl-Heinz Schneider zu den privaten Sammlern hat das möglich gemacht und unterstreicht die Einmaligkeit der Ausstellung.
Ins Detail eintauchen
So unterschiedlich die Kunstwerke auch sind, eines haben sie alle gemeinsam: Sie zeigen Rothenburg. Die Ausstellung folgt somit zwei Erfahrungsebenen: Der Begegnung des Künstlers mit der Stadt und der Begegnung der Besucher mit den Bildern.
Nun gibt es mehrere Möglichkeiten, sich die Schau zu erschließen. Der zügige Durchgang vorbei an rund 160 Werken macht die Wucht der künstlerischen Rezeption Rothenburgs auf beeindruckende Art deutlich. Die Stadt hat bereits im 19. Jahrhundert im gesamtdeutschen Kontext bis hin nach England für Aufsehen gesorgt.
Die andere Annäherung an die künstlerischen Begegnungen mit Rothenburg kann im Detail passieren (wobei dann durchaus ein mehrmaliger Besuch empfehlenswert wäre) und birgt diverse Überraschungen.
Eines der frühesten Werke der Ausstellung, die Radierung einer Stadtansicht über die Wackelbrücke hinweg, dürfte aus dem Jahr 1810 stammen, denn ein Heimatforscher hat damals über den Aufenthalt von zwei Künstlern berichtet. Die Wackelbrücke hat auf der Darstellung kein Dach und das Reichsgericht im Burggarten ist noch zu sehen. „Bilder wie dieses sind Zeitdokumente, die die Historie belegen“, erläutert Karl-Heinz Schneider.
Rothenburg mit seinem besonderen Stadtensemble hat die Künstler über die verschiedensten Epochen hinweg fasziniert. So wie sich die Malstile verändert haben, hat sich auch die Motivauswahl angepasst. Naturgetreue Stadt- oder Landschaftsansichten waren im frühen 19. Jahrhundert angesagt. Karl-Heinz Schneider weist auf die Lithografien und Vorzeichnungen vom Rathaus (von 1840) von Gustav Kraus hin, die erstmals zu sehen sind. „Man erkennt daran, wie die Künstler gearbeitet haben“, so Schneider. Neben Stadtpanoramen waren damals auch Innenansichten der Franziskanerkirche sehr gefragt.
Eine besondere Rarität sind die Blätter von Carl Spitzweg, der mehrmals in Rothenburg gewesen sein soll. In der Ausstellung hängen vier Zeichnungen, zwei von Dinkelsbühl und zwei von Rothenburg (die Kobolzeller Steige und der Brunnen in der Hofbronnengasse).
Die prall gefüllte erste Etage der Ausstellung widmet eine ganze Wandseite detailreichen Zeichnungen verschiedener Künstler, u.a. von Leo Putz oder Carl von Marr, der in der Münchner Secession eine wichtige Rolle gespielt hat. Lokale Malergrößen des Künstlerbunds wie Peter Philippi, Adolf Hosse und Rudolf Schacht präsentieren sich an zentraler Stelle. Peter Nedwahl ist mit einer Zeichnung der längst abgebrochenen Stegmühle und einem modernen Siebdruck mit Blattgold vertreten.
Auch das Bauhaus war da
Besonders stolz sind die beiden Kuratoren auf die Rothenburgansicht von Gustav Schönleber. Angefertigt als Ölvorskizze war sie Grundlage für das über 30 m2 große Wandgemälde von Rothenburg, das bis zum Brand des Reichstags im Jahr 1933 den dortigen Stenographen-Saal zierte. „Gegenüber hing eine Ansicht von Straßburg“, erläutert Schneider und fügt an: „Rothenburg war ein Nationaldenkmal.“
Erste Abbildungen des Festspiels, vom Jugendstil inspirierte Farbholzschnitte, pointilistische Ölgemälde, Darstellung der Herrngasse von Worpsweder Malern und sogar eine Fotografie des Bauhausvertreters László Moholy-Nagy, aufgenommen vom Rathausturm, bannen den Blick.
Rothenburg wird dabei bei Weitem nicht nur romantisierend dargestellt. Werke der klassischen Moderne und neuen Sachlichkeit sind ebenso vertreten wie Bilder von Constantin von Mitschke-Colande, Nachfolger der Dresdner Brücke. Seine Arbeiten wurden von den Nazis als „Entartete Kunst“ verboten.
Im oberen Stock der Ausstellungsräume kommen dann die Engländer und Schotten zum Zug. Ab 1880 kamen auch britische Maler nach Rothenburg. Herausragende Werke von Elias Moline-Bancroft und Arthur Wasse sind ausgestellt. Ihre Motive sind denen der deutschen und lokalen Künstler ähnlich. Die künstlerische Umsetzung lässt dagegen neue Einflüsse erkennen.
Die Sonderausstellung „Eine Begegnung mit Rothenburg“, Kunst und Künstler zwischen 1810 und 1970, ist in der Johanniterscheune des Kriminalmuseums Rothenburg zu sehen. Öffnungszeiten sind Dienstag bis Donnerstag sowie Samstag und Sonntag von 13 bis 18 Uhr.
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