Der Arzt der Herzen
1. September 2024
Der Arzt der Herzen
Dr. Christian Wacker hat die Rothenburger Kardiologie zum Leuchtturm gemacht
„Daheim mit meinen Lieben ist immer wie Urlaub“, sagt Dr. Christian Wacker. Sein Garten ist eine Pracht, das Ambiente außergewöhnlich. Seit 2009 lebt er mit seiner Familie im Windelsbacher Markgrafen-Schloss. Sie haben es restauriert, umgebaut, renoviert und „jetzt ist endlich alles fertig“. Wacker ist ein Gestalter auf vielen Ebenen. Er will sehen, wie sich etwas entwickelt. „Dieser Gestaltungsspielraum ist für mich sehr wichtig“, erklärt der Chefarzt der Inneren Medizin an der Klinik Rothenburg.
Jeden Tag, bei Wind und Wetter, schwingt er sich auf sein Rennrad und fährt zur Arbeit nach Rothenburg. Auf dem Rückweg muss er die Frankenhöhe hinauf. „Je nachdem wie mein Arbeitstag war, fahre ich dann schneller oder langsamer“, erzählt er.
Im Jahr 2005 hat er sich ganz bewusst für die Rothenburger Klinik entschieden. „Das habe ich noch keinen Tag bereut“, stellt der Kardiologe fest, der mit leicht schwäbischem Einschlag spricht.
Wacker stammt aus Heilbronn und ist in Bad Rappenau (Kraichgau) aufgewachsen. Die Medizin war nicht seine erste Leidenschaft, das war die Musik. Seit seinem achten Lebensjahr spielt er Klavier und Kirchenorgel. Eigentlich wollte er klassische Musik studieren. Aber das Hobby zum Beruf machen? Nein, das kam dann doch nicht infrage. Er entschied sich für die Medizin und pflegt sein Hobby bis heute. In seiner Jugend und in Studienzeiten war er als Kirchenorganist in verschiedenen Gemeinden und als Keyboarder in einer christlichen Rockband aktiv. „Zu Spitzenzeiten hatten wir bis zu 80 Auftritte im Jahr“, erinnert er sich.
Flüchtlinge aufgenommen
Die Familie öffnet ihr Schloss, das auch das offizielle Standesamt von Windelsbach ist, für Seminare (der Rothenburger Hospizverein führt Helferschulungen und -ausbildungen durch) und Veranstaltungen. Die Windelsbacher Kulturinitiative (Wiki) lädt zu italienischen Nächten oder zu Konzerten im Schlossgarten mit mehreren hundert Besuchern ein.
Außerdem kann man das Areal für Feste oder Gartenhochzeiten mieten. „Der Platz ist da“, so Wacker. Das hat seine Familie auch dazu veranlasst, zwei Flüchtlingsfamilien aufzunehmen. Eine syrische Familie mit vier Kindern und eine ukrainische Mutter mit ihrer Tochter wohnten direkt nach ihrer Flucht im Schloss und sind mittlerweile in Deutschland integriert. „Wir wollten nie einen Glaspalast“, erklärt Christian Wacker, „am schönsten ist es, wenn das Schloss lebt. Wir waren hier schon mal 13 Bewohner für über zwei Jahre und haben letztes Jahr einen 20-köpfigen Kinderchor aus Uganda auf seiner Europa-Tour zu Gast gehabt.“
Wacker ist den Menschen zugewandt. Auf die Frage, was einen guten Mediziner ausmacht, sind ihm zwei Dinge wichtig: Empathie und natürlich Kompetenz. „Ein Mediziner muss fachlich sehr gut sein. Darauf hat der Patient Anspruch. Und er muss den ganzen Menschen sehen“, das ist ihm wichtig.
Wacker hat in Heidelberg studiert und sich früh der Forschung zugewandt. Bereits im fünften Semester begann er seine Doktorarbeit zum Thema Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Dort hat er gemeinsam mit Physikern Messverfahren entwickelt, die heute in der Kardiologie und Krebsforschung routinemäßig eingesetzt werden.
Zusätzlich zu seiner medizinischen Ausbildung wurde er durch die Forschungsarbeit am MRT auch praktisch und klinisch ausgebildet. Obwohl kein Radiologe „konnte ich als erster Kardiologe in Bayern die Prüfung im Fachbereich MRT ablegen“, erklärt Wacker.
In Folge erwarb er auch die Ausbilderqualifikation „Kardiale Magnetresonanztomografie“ der deutschen, europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften für Kardiovaskuläre Magnetresonanztomografie und wurde für dieses Fach in die Prüfungskommission der Bayerischen Ärztekammer sowie der europäischen Gesellschaft für Kardiologie berufen.
Nach einem Forschungsstipendium der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Heidelberg legte er Stationen am Herzzentrum in Leipzig und an der Uni-Klinik Würzburg ein. Er habilitierte zum Thema MRT am Herzen – nach langjähriger wissenschaftlicher Tätigkeit auf diesem Gebiet. Seine Ergebnisse wurden mehrfach international hochrangig publiziert und mit Forschungspreisen ausgezeichnet. Seine klinische Ausbildung führte zum Facharzt in der Inneren Medizin, der Kardiologie und der Intensivmedizin.
Das Bauchgefühl
Dann stand eine Entscheidung an: Entweder übernimmt er eine Professur für MRT am Herzen, also in Zukunft „nur“ noch Forschung pur, oder er wechselt an eine Klinik. „Wissenschaftliche Forschung war für mich immer eine spannende Herausforderung, die Spaß gemacht hat“, erzählt Wacker, „ich habe aber in erster Linie Medizin studiert, um Arzt für Patienten zu sein und an deren Seite zu stehen. Das ist ein Privileg.“
Von der Stelle im Rothenburger Krankenhaus erfuhr er über eine Ausschreibung. Er holte sich Rat bei seinem damaligen Professor Dr. Georg Ertl, einer Koryphäe in der Kardiologie. „Er meinte, Rothenburg sei eine sehr gute Klinik“, erinnert sich Wacker und fügt an: „Ich bin dann hergefahren, habe mir das Haus angesehen und bin anonym durch die Klinik gelaufen.“
In der kleinen, feinen Klinik in Rothenburg sah er die Möglichkeit, eine Kardiologie aufzubauen. Diese Gestaltungsmöglichkeit reizte ihn. „Ich bin sicherlich ein Kopfmensch, aber damals hat mir mein Bauchgefühl den Weg gezeigt“, sagt Christian Wacker, denn die Stimmung und das Miteinander im Krankenhaus empfand er als sehr gut und harmonisch. Im Jahr 2005 wechselte er daher nach Rothenburg. „Die Unterstützung von Dr. Maria van Aerssen, mit der ich acht Jahre im gelebten Teamarztmodell die Abteilung geleitet habe, war einmalig“, erinnert sich Wacker.
Schnell konnten modernste medizinische Techniken und Behandlungsmöglichkeiten nach Rothenburg gebracht und eine interventionelle Kardiologie aufgebaut werden. Seit 2006 hat Rothenburg einen Herzkatheterplatz mit 24-Stunden-Bereitschaft. „Das gab es damals im ganzen Landkreis nicht“, so Wacker.
Er führte das Kardio-CT und Kardio-MRT ein. 2015 kam die elektrophysiologische Katheterbehandlung von Herzrhythmusstörungen dazu. „Das war der Moment, wo wir von der bayerischen Landesärztekammer die volle Weiterbildungsbefugnis erhalten haben“, erklärt der Kardiologe.
Facharztausbildung in Rothenburg
Seitdem können in Rothenburg Ärzte nicht nur ihren Facharzt für Innere Medizin, sondern auch die Ausbildung zum Kardiologen komplett im Haus machen. „Im Moment haben wir sechs Oberärzte in der Inneren Abteilung. Drei Oberärzte bilden wir zu Kardiologen aus, einer davon kam von einer deutschen Uni-Klinik extra dafür zu uns nach Rothenburg“, erzählt Wacker, der seit 2006 Chefarzt der Inneren in der Klinik Rothenburg ist. Schon seit 2004 ist er Privatdozent an der Uni Würzburg und dort Prüfer bei Staatsexamen.
Seit 2010 ist das Rothenburger Krankenhaus durch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie als Chest Paint Unit zertifiziert und seit 2019 als Schwerpunktklinik für Herzinsuffizienz. Ebenfalls seit 2010 ist Rothenburg Lehrkrankenhaus der Uni Würzburg. Eine Art Ritterschlag, denn die Qualität der Ausbildung muss der in großen Häusern wie beispielsweise dem Juliusspital Würzburg ebenbürtig sein. Für Wacker hat der Status als Lehrkrankenhaus besondere Strahlkraft. „Diese Kooperation mit Würzburg hat uns viel gebracht“, sagt er. Kurze Dienstwege oder Verlegungen sind kein Problem. Studenten werden zugewiesen, die hier ihre Laufbahn starten und manche auch die Facharztausbildung machen. „Aktuell sind alle Stellen in der Inneren besetzt und wir haben mehr Bewerber als Stellen“, sagt Wacker.
Die hochwertige Ausbildung strahlt auch in die lokale medizinische Versorgung hinein. „Etwa die Hälfte der niedergelassenen Ärzte in Rothenburg sind ehemalige Assistenzärzte der Inneren Abteilung“, erklärt Wacker. Das verbindet, gewährleistet eine gute Zusammenarbeit und hat der Klinik Rothenburg über die Jahre einen sehr guten Ruf eingebracht.
Wacker hat neben seinem Job als Chefarzt auch weiterhin wissenschaftlich gearbeitet. Aktuell ist Rothenburg ein Studienzentrum der weltweit größten Studie zum Thema „Plötzlicher Herztod“, die federführend von der Charité Berlin geleitet wird. „Diese Studie wird medizinische Leitlinien verändern“, ist sich der Kardiologe sicher.
Seit 2013 gehört die Klinik Rothenburg zum Klinikverbund ANRegiomed. Schon seit Jahren existiert bundesweit die Diskussion um eine Neuordnung der medizinischen Versorgung. „Die Krankenhauslandschaft gehört reformiert“, bestätigt Wacker. In Ballungszentren sei das aufgrund der dortigen Überversorgung auch kein Problem. „Aber wir sind ländlicher Raum“, so der Kardiologe.
Menschen kommen in ihre Klinik
Die Klinik Rothenburg hat aufgrund ihrer geografischen Lage eine besondere Strahlkraft. Richtung Hohenlohe, Crailsheim, Schwäbisch Hall, Bad Mergentheim fühlen sich die Menschen durch historische Gemeinsamkeiten und den ehemaligen Altlandkreis mit Rothenburg verbunden. Das ist ihr Krankenhaus. Aber auch Patienten aus Ochsenfurt, Uffenheim oder Bad Windsheim kommen in die Rothenburger Klinik. „Wir versorgen daher ein großes Einzugsgebiet“, so Wacker.
Die Reform von Gesundheitsminister Lauterbach sieht vor, dass gewisse Leistungen nur in großen Häusern angeboten werden. Bei einer spezialisierten, planbaren Leistung, wie beispielsweise einer Tumorbehandlung, ist eine weitere Entfernung zumutbar. „Die Behandlung eines akuten Herzinfarkts ist dagegen zeitkritisch. Seit 2006 werden diese Patienten in Rothenburg rund um die Uhr bei Bedarf mittels Notherzkatheteruntersuchung behandelt“, merkt Wacker an. Die bundes- und länderpolitische Diskussion und laut Wacker teils vorschnelle Schließungen von Häusern auch in der näheren Umgebung verunsichern daher Patienten und Mitarbeiter. Er plädiert für mehr Ruhe und sieht die Klinik Rothenburg nicht in Gefahr.
Ein basisrelevantes Haus
Die Klinik Rothenburg ist eine von zehn Kliniken in Bayern, die einen Sicherstellungsauftrag für Innere Medizin und Chirurgie vom Ministerium hat. In der „Regelung des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen“ ist als Grund definiert: Ein Krankenhaus ist basisversorgungsrelevant, wenn es für die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung notwendig ist, weil bei Schließung des Krankenhauses kein anderes geeignetes Krankenhaus die Versorgung übernehmen kann.
Laut Vereinbarung des GKV-Spitzenverbands sowie des Verbands der Privaten Krankenversicherung e. V. und der Deutschen Krankenhausgesellschaft e. V. wäre im Fall Rothenburg gegeben, dass „bei Schließung zusätzlich mindestens 5.000 Einwohner mehr als 30 Pkw-Fahrzeitminuten zum nächsten Grundversorger fahren“ müssten.
Im vorgeschlagenen Krankenhausversorgungsbesserungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Lauterbach sind Kliniken mit Sicherstellungszuschlag explizit ausgenommen.
Kein vorauseilender Gehorsam in Zeiten, in denen noch vieles unklar ist, sondern eine Stärkung des medizinischen Angebots und eine hochwertige Ausbildung sind daher auch weiterhin die Ziele von Christian Wacker. „Und dafür stehen wir Mitarbeiter der Rothenburger Klinik“, sagt er. am