Das Leben formen
1. Mai 2024
Das Leben formen
Jutta Hedwig-Schöffl drückt ihre Welt in der Tonkunst aus
In einem Hinterhof der BayWa in Geslau liegt ihr Atelier. Jutta Hedwig Schöffl stammt aus Stettberg etwa zwei Kilometer von Geslau entfernt. Seit Oktober 2021 betreibt sie ihr eigenes Tonkunst-Atelier namens „Tonwerk“ in Geslau. „Ich habe mein Leben lang gezeichnet und modelliert“, erzählt die 56-jährige Künstlerin. Das hat sie zu ihrem Lebensinhalt gemacht.
Nach der Trennung ihrer Eltern verbrachte sie die Jugendzeit in Kempten im Allgäu, wo ihre Mutter geboren wurde. In bleibender Erinnerung blieben ihr die großen Krähenpopulationen, die das Stadtzentrum von Burghalde bevölkerten. Eindrücke, die sie bis heute in ihre Kunstwerke integriert. Genauso gestaltet sie ihre Plastiken, Bilder und zuweilen auch Gedichte, die ausdrücken, was ihr Innerstes bewegt.
Schon mit 21 Jahren traf sie in Oberähren Mann, einen Textilmaschinenfachmann, der beruflich in die chinesische Metropole Hongkong versetzt wurde. „Das war für mich kein Problem, ich bin ihm voller Abenteuerlust gefolgt“, erzählt sie lächelnd.
In Hongkong angekommen, lernte sie erst einmal Englisch, um in der noch bis 1997 bestehenden britischen Kolonialherrschaft beruflich Fuß fassen zu können. Anschließend arbeitete sie im Büro einer Textilmaschinenfabrik und ließ sich später in einer Deutsch-Schwedischen Schule anstellen. Dazu muss man wissen, dass es in China keine Berufsausbildungen gibt. Nach der Schule arbeitet man sich in sämtlichen Abteilungen einer Firma ein, bis man seinen Platz gefunden hat. Berufserfahrungen, besonders in europäisch ansässigen Firmen sind in China einer deutschen Ausbildung gleichgestellt.
Eigenes Potenzial entdeckt
Nach drei Jahren in der chinesischen Stadt stieß sie auf einen Cobo-Workshop des asiatischen Künstlers Chris Lo in der „University of Arts“ in Hongkong. „Faszinierend fand ich die Studenten, die die uralte chinesische Keramik- und Tonkultur aus der Jungsteinzeit mit der Moderne zu vereinen wussten“, erzählt die heutige Gestaltungsdesignerin.
Wenig später saß sie selbst in einem solchen Workshop und entdeckte Ton und Keramik als das Mittel der Wahl, um mit Formen auszudrücken, womit sie sich gerade beschäftigt. „Das erste Kunstwerk ihres Schaffens war die Heilige Familie“, sagt sie und erzählt von der katholischen Lebenskultur ihrer Großmutter, die ein Stück Heimat für Jutta Hedwig Schöffl im fernen Ausland war. Zurück in Deutschland ließ sie sich zur Scheibentöpferin ausbilden. Im Jahr 2006 gründete sie ihr Label „Schöffl Keramik“, machte später den Abschluss zur Keramikgestalterin (2007 bis 2012) und schloss die Meisterprüfung an der Fachschule in Höhr Grenzhausen (2014) an.
Ihre Arbeiten sind geprägt von Witz und Charme. Krähen fanden immer wieder Raum in ihren Skulpturen oder Bildern, die immer aktuelle Themen wie die menschliche Diversität, den Effekt der Digitalisierung oder die Corona-Situation zum Ausdruck bringen. Das frühere Selbstverständnis von männlich oder weiblich, von Gesundheit oder Krankheit oder von der direkten persönlichen Kommunikation hin zur fremdbestimmten digitalen Welt zeigt sich in den Werken der Keramikmeisterin. „Die Materialien meiner Werke haben für mich unterschiedlichen Stellenwert. Der Ton ist das Auto, das Steinzeug ein BMW und Porzellan kommt einem Mercedes gleich“, erzählt sie mit einem verschmitzten Lächeln. Die ersten Skulpturen wurden inspiriert von den dicken Frauen, bemalt mit fröhlich bunten Farben, die die französische Bildhauerin Niki de Saint Phalle seit 1965 ausstellte. Genau das war es, was auch Jutta Hedwig Schöffl mit ihren lustigen Damen bewirken wollte – den Menschen ein Lächeln auf ihr Gesicht zaubern. Alle Kunstwerke sind in Naturtönen, Weiß oder Gold gehalten. Andere Farbnuancen kommen für sie nicht infrage. Denn nicht nur ihre Kunst, sondern auch sie selbst soll immer natürlich und authentisch wirken.
Vor der Coronazeit wurde das Thema Diversität des menschlichen Geschlechts aktuell. Dazu gestaltet die Keramikmeisterin eine Tonschale auf vier Beinen, um zu symbolisieren, womit der Mensch heute ungewollt gefüllt wird. Schon Kindergartenkinder werden mit der Frage „Was bin ich“ konfrontiert. Während der Pandemie entstanden die „Frangen“ – weder männlich noch weiblich wirkende Figuren, die als Zeichen für die Unnahbarkeit der heutigen Gesellschaft stehen und stählerne Igelfrisuren tragen. Bloß nicht anfassen, hieß es während der Pandemie immer und überall.
Eine Kugelfisch-Figur, die mit Händen und Füßen ausgestattet ist, trägt den Namen „Fly me to the moon“, ein Ausdruck für das Verlangen der Menschen, aus all diesen weltlichen Themen zu entfliehen. Unter immer neuen Herausforderungen in der Welt (Krieg, Krankheit, KI usw.) wurden auch die Kunstwerke der Künstlerin immer abstrakter. Der lustige und konkrete Ausdruck verschwand zunehmend. Übrig waren nur noch Formationen von zusammenhängenden Rundungen. „Kaum etwas ist noch konkret und verlässlich“, sagt Jutta Hedwig Schöffl und zeigt auf Globular I (Foto im Heft), eine eher aufrechte Skulptur und Globular II. Mit diesen Werken gewann sie den Ansbacher Kunstpreis 2021. Neben nationalen und internationalen Ausstellungen erhielt sie zudem den 8. Ströher Keramik-Preis.
Über 20 Jahre gab die kreative Designerin Kurse ganz nach Art der chinesischen Cobo-Workshops, bei denen Interessierte mit oder ohne Ideen kreativ werden konnten. In ihrem Atelier befinden sich noch Tassen, Teller, Vasen und viele Gebrauchsgegenstände in Weiß und Gold gehalten. Oft waren es Projekte für ihre Kursteilnehmer. Heute gibt sie keine Workshops mehr. „Ich brauche jetzt wieder Raum und Zeit für meine eigene Kreativität“, betont sie. Jutta-Hedwig Schöffl engagiert sich im Rothenburger Künstlerbund und ist seit 2022 Mitglied im Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler in Nürnberg. Geplant sind weitere Ausstellungen in der Region. Ihre Kunstwerke veräußert sie hauptsächlich über ihr Internetportal: www.schoeffl-keramik.de in der ganzen Welt. Ein Blick ins Geslauer Atelier lohnt sich für Kunstinteressierte auf jeden Fall.
ul