„Brot zieht mich magisch an“

1. Oktober 2024

„Brot zieht mich magisch an“

Martin Neumeisters Leidenschaft ist Brot. Bei Brotbackkursen teilt er sein Wissen

„Wir saßen beim Abendessen, da habe ich den Mähdrescher gehört“, erzählt Martin Neumeister. Wird das Getreide gedroschen, ist das für ihn ein emotionaler Moment. Hier beginnt seine Leidenschaft. Also hat er sich ein Brot geschnappt und seine Frau das Foto von ihm auf dem Mähdrescher gemacht. „Was ich mache, soll einen Sinn haben“, sagt er. Neumeister kämpft für den Erhalt des Wissens in einem alten Handwerk, aber auch für die Perfektion darin. Wenn er über Brot spricht, dann kommt Magie ins Spiel.

Der 54-Jährige stammt aus Dachsbach. Dort lebt er auch heute mit seiner Familie und engagiert sich als Gemeinderat. Seine Leidenschaft zum Bäckerhandwerk wurde früh geweckt. Mit seinem Onkel, der im Außendienst tätig war, besuchte er Bäckereien. „Der Duft von Brot hat mich auf den Beruf gebracht“, erinnert er sich.

In der Schule war er der einzige Junge im Hauswirtschaftsunterricht und es war klar, eine Bäckerlehre muss es nach dem Abschluss sein. Mit 15 Jahren ging er in die Lehre nach Erlangen. „Ich wohnte alleine über der Bäckerei“, erzählt er, „das war eine harte Zeit, aber sie hat mich geprägt“.

Sein Werdegang führte ihn über eine Bäckerei in Höchstadt an der Aisch, wo er seinen Meister gemacht hat, zur Bäckerei Bräuninger in Bad Windsheim. Im Jahr 2000 wurde er dort Produktionsleiter. Im Zuge der Fusion der Traditionsunternehmen Brothaus und Bräuninger kam er zum Brothaus. Von Anfang an war er in die Entstehung der Firmenzentrale in Burgbernheim eingebunden. „Das war mega“, erinnert er sich und fügt an: „Im Brothaus wird es nie langweilig.“ Heute ist er dort sowohl für die Produktion als auch für Qualität und Produktentwicklung zuständig.

Smalltalk mit der „Diva“

„Nach 40 Jahren kenne ich die ganze Bäckerei, aber Brot zieht mich magisch an“, sagt Martin Neumeister. Seinen Arbeitstag beginnt er stets mitten in der Nacht mit einem Besuch bei seiner „Diva“. Er macht ein bisschen Small-

talk, gut geschlafen oder so, und vergewissert sich, dass alles in Ordnung ist. Seine „Diva“, das ist ein Sauerteig, den er vor 24 Jahren angesetzt hat und der sozusagen das Herz der meisten Brothaus-Brote ist. Ohne die Diva geht nichts.

An 365 Tagen im Jahr wird der ph-Wert und Säuregrad im Sauerteig gemessen und ein Prozentanteil davon zu einem neuen Sauerteig angesetzt. „Denn jede Bäckerei hat ihre eigene Flora“, erklärt Neumeister. Das Raumklima und die Bakterien in der Luft wirken auf das Brot ein. „Man kann mit identischen Zutaten an zwei verschiedenen Orten nie das gleiche Brot backen“, hat er selbst ausgetestet.

Als das neue Firmengebäude in Burgbernheim entstand, stellte er daher schon in den Räumen des Rohbaus seinen Sauerteig auf. „Die Flora musste im Neubau ja erst entstehen“, so Neumeister. Sein Sauerteig hat es als einer von 144 Sauerteigen aus 28 Ländern auch in die einzige Sauerteigbibliothek der Welt im ostbelgischen St. Vith geschafft. „Dort wird unser Teig genauso weitergeführt wie in Burgbernheim“, erklärt Neumeister. Das ist einerseits ein Renommee und andererseits eine Absicherung, sollte der „Diva“ doch mal was passieren.

Der Brot-Sommelier

Seit 2015 gibt es oberhalb der Meisterausbildung die Fortbildung und Prüfung zum Geprüften Brot-Sommelier, durchgeführt von der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Weinheim. „Das war schon immer mein Traum“, so Martin Neumeister, „und eigentlich hat mich Markus (Anmerk. Markus Fischer, Inhaber der Firma Brothaus) motiviert, das zu machen.“

Ein Jahr hat er berufsbegleitend acht Ausbildungsblöcke absolviert und eine 60-seitige Projektarbeit verfasst. „Ich bin da tief in die Wissenschaft eingetaucht. Das war neu für mich“, erinnert sich Neumeister. Seine Projektarbeit ging über „Milde Fermentation“ – also Richtung Sauerteig und Langzeitführung.

Martin Neumeister kann ausführlich über die Entwicklung des Bäckerhandwerks, über Veränderungen im Mehl durch Düngung, Züchtung und Klimawandel oder über die Verträglichkeit von Backwaren referieren. Immer wieder kommt er dabei auf die Reifung des Teigs zu sprechen. „Es ist unglaublich, was wir im Brothaus alles dafür machen“, sagt er. Teig braucht Zeit, um das Brot haltbarer, geschmackvoller und verträglicher zu machen. „Und Zeit kann man nur durch Zeit ersetzen“, weiß der Brot-Sommelier. Einen Eindruck von seinem Wissen und seiner Leidenschaft vermittelt Neumeister beim „Brotgeflüster” im Schlachthof in Rothenburg, das es seit Oktober 2023 gibt und das aktuell wieder einmal im Monat angeboten wird.

„Ich war auf einem Whisky-Tasting“, erinnert er sich. Da wurde viel geredet und wenig eingeschenkt. So wollte er es nicht machen. „Ein praktischer Teil muss dabei sein“, erklärt er. Beim „Brotgeflüster“ (maximal 20 Personen) arbeiten immer zwei Teilnehmer an einer Küchenmaschine. Der Teig für ein Roggen-Dinkel-Mischbrot wird selbst hergestellt. Das zweite Brot, eine Oliven-Focaccia, muss nur geformt werden, denn der Teig hat zuvor zwölf Stunden geruht. Beide Brote werden vor Ort gebacken und im Anschluss verkostet. Dazu erzählt Martin Neumeister eloquent und unterhaltsam von seiner Welt des Brots. „Wir tun sehr viel Gutes, aber reden nicht darüber“, so der Bäcker aus Leidenschaft. Das will er mit dem „Brotgeflüster“ nun ändern. am

Hier beginnt alles: Martin Neumeister mit einem Holzofenbrot auf dem Mähdrescher. Der Schnappschuss ist ganz spontan entstanden. Foto: Privat
Martin Neumeister zeigt beim „Brotgeflüster“, wie aus dem Teig geschmeidige Laibe geformt werden. Eine Tätigkeit, die auch im Brothaus jeden Tag noch per Hand gemacht wird. Foto: am

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