Bereicherung

1. August 2024

Bereicherung

Mode-Designerin Susan Franz

Gerade mal sechs Jahre war sie alt, als sie handgenähte Stoffbeutelchen, gefüllt mit Süßigkeiten in der Schule an die Mitschüler verkaufte. „Ich habe alles, was ich an Geld hatte, ,investiert“, so die Amerikanerin Susan Franz, die vor gut eineinhalb Jahren in Rothenburg ein neues Zuhause in der Hafengasse 16 gefunden hat. „Wie kann ich meine Fähigkeiten als Modedesignerin hier in der Stadt einbringen und mit der Angebotsvielfalt und den Bedürfnissen der Menschen verknüpfen“, sind ihre Beweggründe.

„Vor etwa dreißig Jahren hatte ich einen Traum, in dem ich das Taubertal hautnah erlebt habe. Das war das eine, und zum anderen habe ich als Kind in meinem Lieblingsfilm ,Tschiti Tschiti Bäng Bäng‘ (1968) das Bild von Rothenburg und Schloss Neuschwanstein im Kopf, in dem eine Familie mit wunderschönen romantischen Kleidern in einem fliegenden Auto agieren“, erzählt sie aus dem Nähkästchen. Für die aus Huntsville, Alabama stammende Künstlerin waren es Hinweise auf ihre heutige Wahlheimat Rothenburg.

Das ist wohl auch der Grund, warum sie schon früh romantische Puppenkleider nähte. Ihre Mutter war für sie ein Vorbild, was das Schneidern angeht. Sie fertigte aufwändig genähte, mittelalterliche Kostüme für landesübliche Straßentheater verschiedener Kirchengruppierungen an. Ein weiterer Schwerpunkt der Nähkunst waren Anzüge für Jockeys beim Pferderennen. Detailreich und anspruchsvoll empfand Susan Franz die Nähkunst ihrer Mutter. „Das kann ich auch“, dachte sie sich.

Mit 17 Jahren zog sie nach Seattle zu ihrer Schwester und bestritt ihren Lebensunterhalt mit Putzjobs und Küchenarbeit. Dort kam sie mit dem Geschäft ihres früheren Chefs für Stoffdruck im Siebdruckverfahren in Kontakt. Die Motive waren aus der „Rock‘n Roll“-Szene. Dort lernte Susan Franz die Technik, die sie in Eigenregie zu Hause weiterentwickelte. Viele Jahre arbeitete sie bei „Cicada Bridal“ in Seattle Washington, einem Geschäft für maßgeschneiderte Brautmode. „Dort bat ich immer um die komplizierten Aufträge, um meine Fertigkeiten zu verfeinern“, erzählt sie.

In den USA gibt es keine mehrjährigen Ausbildungen. Hier erwirbt man Zertifikate, die fachliche Kompetenzen bescheinigen. Susan Franz wurde durch die Firma „Cicada Bridal“ in allen Kompetenzbereichen für Brautmodendesign zertifiziert. Zu Hause nahm sie Aufträge für Brautmoden an und fertigte selbstständig maßgeschneiderte Kleider. Sie entwickelte mit der Zeit die Fähigkeiten für die gehobene Schneidereikunst (Couture). Die Konkurrenz war groß, denn in Seattle befindet sich die Meisterschule für das Schneiderhandwerk.

Für Susan Franz gilt: „Leute machen Kleider und nicht umgekehrt“. Das Kleidungsstück soll das Schöne eines Menschen betonen. „Nur so kann man sich wohlfühlen“, sagt sie. Über ihre beruflichen Kontakte lernte Susan Franz die Firma „Utility Kilts“, die Schottenröcke herstellt, kennen und wurde auch in diesem Bereich firm. Um ihren Unterhalt neben dem Aufbau ihres Designstudios mit Stoffdruckverzierung, Maßschneiderei und Stoffveredelung in Rothenburg aufzubauen, steht sie morgens um fünf Uhr auf, um in einem Rothenburger Museum zu putzen. „Das ist genial, denn gegen zehn Uhr bin ich fertig und habe den Tag über Zeit, mich um mein eigentliches Geschäft zu kümmern“, erzählt sie als einzige Schneiderin im Künstlerbund der Tauberstadt. Kürzlich übernahm sie noch die Reinigung eines örtlichen Cafés.

Jetzt ist es so weit, das Studio der Modedesignerin ist fertig. Im Erdgeschoss beherbergt Su­san Franz ihr technisches Inventar. Dazu gehören verschiedene Nähmaschinen, Siebdrucktechnik zur Verzierung von Stoffen, ein großer Arbeitstisch und eine Dunkelkammer für die Stoffmotive. Eine Etage höher ist das Atelier, in dem sie den Kunden empfängt, eine Stoffauswahl trifft und Anproben vornimmt.
Vernetzt ist sie in der Tauberstadt schon wirklich gut. Bei Monika Klein, Inhaberin des Handarbeitsgeschäftes „verstrickt und zugenäht“ um die Ecke, erwirbt Susan Franz nötiges Material. Für die Modeboutique „Lola“ gleich nebenan ist sie als Änderungsschneiderin aktiv. Einer jungen Darstellerin im Theaterclub von Christina Wehner im Toppler Theater fertigte die Stoff- und Modedesignerin das Kostüm für die Rolle der Mutter der Julia an. „Das ist für mich eine traumhaft schöne Herausforderung gewesen, in der ich meinem Können freien Lauf lassen konnte“, strahlt sie.

Einer jungen Frau, die große Bedenken hatte, sich überhaupt in irgend einem Brautkleid sehen zu können, schneiderte sie ein „Wohlfühlkleid“, in dem die Braut den schönsten Tag ihres Lebens wirklich genießen konnte. Ob Brautkleider, Theater-Kostüme oder Anzüge je komplizierter, desto interessanter ist für mich die Herausforderung“, so die neue Couture-Designerin Rothenburgs. ul

Für eine Kundin gestaltet Susan Franz ein elegantes Oberteil aus dem einst getragenen Brautkleid. Die elegante, in Falten gelegte Hose wirkt wie ein weit-schwingender Rock. Dazu kreiert die Designerin einen seidenen Gehrock. Foto: ul
Finja (Mitte) fühlt sich wohl in ihrem ausgefallenen Kostüm als Mutter der Julia bei der Aufführung im Toppler Theater. Foto: Privat

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