Alles was man braucht
1. August 2023
Alles was man braucht
Karin Brenner fällt auf mit ihrer Naturoase Hortus Romanticus
Hortus, das hört sich an, als wollte man einen Vorrat anlegen, horten eben. Übersetzt heißt es aber „Garten“. Karin Brenner aus Oberdachstetten ist auf dem Land mit hauseigenem Garten aufgewachsen. Heute lebt sie für ihr Naturareal „Hortus Romanticus“.
Eigentlich ist sie ausgebildete Drogistin. „Früher haben wir Salben und Heilkräutertees selbst hergestellt. Als Drogist (Droge bedeutet Heilpflanze) kannte man sich in den 70er-Jahren noch mit chemischen Mitteln, aber auch mit Pflanzen und deren Nutzen aus: Substanzen zur Reinigung von Metall, Bodenwachs, Katzenfell gegen Rheuma, Zitronensäure als natürliches Mittel zur Immunstärkung, Kaiser Natron für den Säure-Basenausgleich des Körpers oder Soda als Fleckenmittel oder als Putzmittel in Küche und Bad. Vieles habe ich in meinem Beruf mit Leib und Seele hergestellt, Kunden beraten und verkauft“, sagt Karin Brenner. Bis es in den 80er-Jahren nur noch sogenannte Drogerie-Märkte mit Fertigprodukten gab.
Die Naturliebhaberin leitete eine Parfümeriefiliale über sieben Jahre lang. Aber es war eben nicht mehr dasselbe. „Das Hauptanliegen war nicht mehr das Wohl des Menschen, sondern Empfehlungen von fertigen Produkten. Das hat mir nicht mehr gefallen,“ erzählt sie.
Die ideenreiche junge Frau ließ sich zur Natur- und Waldpädagogin ausbilden, hält Vorträge und ist als solche beim Bund Naturschutz in Schulen und Kindergärten unterwegs. Sie möchte den jungen Menschen die Notwendigkeit nahe bringen, Lebensräume von einheimischen Pflanzen und Tieren zu erhalten. Ein Beispiel ist der europäische Biber (Castor fiber), der nicht nur als das größte Nagetier Europas gilt, sondern auch der beste „natürliche“ Ökosystem-Manager: Wo immer er lebt und anpackt, nimmt die Artenvielfalt sprunghaft zu.
Jeder kann etwas tun
„Die Menschen müssen die Naturkreisläufe verstehen. Denn nur wer etwas darüber weiß, kann lernen, die eigene Umwelt zu schützen,“ erklärt die Naturgartenbesitzerin. Das hat sie am eigenen Leib erfahren. Als sie ihr Haus bezog, hatte sie, wie jeder Häuslebauer, den Humus für den Siedlungsgarten zur Seite schieben lassen. Ein böses Erwachen gab es eines Morgens, als der Haufen gestohlen worden war. Der neu gelieferte Humus war der nächste Schock, denn er bestand nur aus Steinen, Splitt und ein wenig Erde. Karin Brenner nutzte dieses Material, um sich einen drei Meter hohen Schutzwall um ihr Grundstück als Sicht- und Windschutz zu gestalten. Heute ist er ein wichtiger Teil ihres „Hortus Romanticus“ (Naturgarten).
Nach einem Vortrag über das „Hortus-Netzwerk“ (des Österreichers Markus Gastl), das sich für biologische Vielfalt und intakte Lebensräume für Tiere und Pflanzen im eigenen Garten einsetzt, war es um sie geschehen. Das wollte sie auch.
Drei-Zonen-Garten
Um einen Biokreislauf zu erreichen, werden drei Gartenzonen geschaffen. Über eine Vernetzung dieser Bereiche wird ein natürliches Gleichgewicht erreicht, in dem sich die heimische Tier- und Pflanzenwelt gesund und vielfältig entwickeln kann.
Dafür benötigt ein Garten folgende Zonen: eine Pufferzone, eine Hot-Spotzone (heiß und trocken) und eine Ertragszone. Die Pufferzone (grenzt den Garten von außen ab) hatte Karin Brenner mit dem Erdwall um ihr Grundstück bereits geschaffen. Sie versah ihn mit Wildrosen, heimischen Gehölzen, Laub und Schnittholzhaufen für Igel, Laubfrosch, Erdhummel und Zaunkönig mit seinen Erdnestern. Es bedarf aber auch einer Hot-Spotzone, ein Magerboden, auf dem sich Wildblumen ansammeln, die auf nährstoffarmen Böden gedeihen können. Insekten und Amphibien freuen sich darüber. Ergänzend kann man eine Steinpyramide aus heimischen Materialien für Kröten und Kleinsäuger bauen. Karin Brenner setzte damit nicht nur einen tollen Akzent im Naturgarten, sondern bietet Insekten und Kleintieren auch einen Schutzraum.
Laut Hortus-Netzwerkgründer Markus Gastl haben sich natürliche Magerflächen als einheimischer Lebensraum in Deutschland um 98 Prozent verringert. Man hat diese Flächen zu ertragreichen Böden umfunktioniert oder hat sie als Bauland genutzt. Karin Brenner hat sich kurzer Hand eine solche Magerfläche auf einem Schutthaufen in ihrer viel zu großen Einfahrt eingerichtet.
Nichts verlässt den Garten
Was dort wächst, wird abgesenst (damit sie mager bleibt) und in die Ertragszone zur Humusbildung gebracht. „Damit sind wir bei der Ertragszone“, erklärt sie. Hier wachsen Beeren und Gemüse für den Selbstversorger. Wer Blaubeeren ernten möchte, kann die nötige Erde mit niedrigem pH-Wert selbst produzieren. Dazu nimmt man schwarze Abfallsäcke und füllt sie mit Walnuss- oder Eichenblättern, feuchtet sie ein wenig an und legt sie für 1,5 Jahre in die Gartenecke, fertig. Nährstoffreiche Erde für die Ertragspflanzen kommt vom Komposthaufen. Diese drei Zonen sorgen für Artenvielfalt und für natürliche Schädlingsbekämpfung durch fressen und gefressen werden. In selbstgebauten Hochbeeten aus Fundbrettern pflanzt die Naturgärtnerin ihr Gemüse an. Um möglichst wenig wässern zu müssen und gleichzeitig für genügend Nährstoffe zu sorgen, schwört Karin Brenner auf Schafwolle, die sie direkt vom Schäfer erhält und für Schnecken ein Gräuel ist.
Als Dünger nutzt sie auch Schafwollpellets, die sie rund um die Pflanzen in die Erde einarbeitet. Auch das Herbstlaub und das Schnittgut von Hecken und Sträuchern werden nicht abtransportiert. Äste werden zu Totholzhaufen und das Laub landet zur Humusbildung in den Beeten zwischen den Pflanzen.
Apropos Mulchen, bis auf die Magerböden sorgt die Gärtnerin für schattierte Böden, um Verdunstung zu vermeiden und nährstoffreiche Erde zu produzieren. Ein ehemaliger Teich dient heute als Wasser-Auffangbecken und sorgt dafür, dass sich der Grundwasserspiegel erholen kann.
Einem Naturgarten wie diesem muss nichts hinzugefügt werden. Auch kein Spritzmittel. Denn wenn der natürliche Kreislauf geschlossen ist, gibt es genügend Nützlinge gegen sämtliche Feinde. Blaumeisen verfüttern etwa 50 kg Insekten, Läuse und Würmer im Jahr. Eine Läuseplage an Rosen kann durch die gefiederten Freunde vermieden werde. Sie brauchen hohe Bäume, dichte Hecken und geeignete Nistkästen. Das ist alles. Materialien zur Gartengestaltung kommen nicht aus dem Baumarkt, sondern stammen von der Bauschuttdeponie oder vom Sperrmüll: Eine Mauer aus alten Ziegeln, Hochbeete aus alten Balken bis hin zu einer Orangerie aus Brettern und alten Fenstern runden den Naturgarten ab. Bei einer Führung kann man sich Anregungen für den eigenen Garten holen.
Karin Brenner ist im Internet unter: www.naturwerkstatt-hortus-romanticus.de zu finden. ul